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Eine psychisch erkrankte Person besucht mein Seminar. Was bedeutet das für mich?

Klärung: Was sind typische Herausforderungen für Studierende mit einer psychischen Erkrankung?

Die best 2-Studie zeigt, dass psychisch erkrankte Studierende „anteilig deutlich häufiger als andere Studierende beeinträchtigungsbezogene Schwierigkeiten im Bereich »Prüfungen, Hausarbeiten und andere Leistungsnachweise«“ angeben (Pokowsky et al., S. 8). Außerdem haben die Betroffen Schwierigkeiten mit der Studienorganisation, der Lehre und dem Lernen (vgl. ebd., S.9), zum Beispiel in Bezug auf Prüfungen, das Arbeitspensum oder die Anwesenheitspflicht.

Soziale Interaktion und Kommunikation, beispielsweise mit Ihnen als Lehrperson, können ebenfalls ein Stressfaktor für die Betroffenen sein.

Digitale asynchrone Lehrangebote werden zum Teil insofern als herausfordernd empfunden, weil es keine räumliche oder Tagesstruktur gibt.

Grundlagen

Es ist wahrscheinlich, dass an Ihrer Veranstaltung Studierende mit einer psychischen Erkrankung teilnehmen. Die best 2-Studie zu Studieren mit Beeinträchtigung (Pokowsky et al., 2018) zeigt, dass mit 53 Prozent psychische Erkrankungen die Liste der Beeinträchtigungen von Studierenden anführen (vgl. S. 3). Gleichzeitig ist diese Beeinträchtigungsform von außen kaum wahrnehmbar. Die häufigsten Diagnosen sind Depressionen und Angststörungen (vgl. S. 21).
Auch der Psychoreport 2020 der DAK Gesundheit zeichnet ein ähnliches Bild: Im Jahr 2019 waren „260 Fehltage pro 100 Versicherte“ auf psychische Erkrankungen zurückzuführen (vgl. DAK Gesundheit 2020). Während die Fehltage wegen Krankheit seit 1997 um 28 Prozent (2019) zugenommen haben, steigerte sich die Zahl der Fehltage, die auf psychische Erkrankungen zurückzuführen waren, im gleichen Zeitraum um 239 Prozent (vgl. ebd., Präsentation, Folie 5.)

 

Gut zu wissen

  • Psychische Erkrankungen sind genauso ernstzunehmen wie körperliche. Sie sind genauso wie andere Krankheiten im ICD (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) erfasst und stehen wegen der hohen Zahlen an Betroffenen zunehmend im Fokus.
  • Die Website „Studieren mit einer psychischen Erkrankung: (wie) geht das?“ bietet explizit auch für Lehrende umfangreiche Informationen über diese Studierendengruppe, mit Tipps, Erfahrungsberichten und Expert:inneninterviews
  • Informieren Sie sich über Beratungsangebote für Studierende, um sie entsprechend verweisen zu können.

Gut zu tun

  • Signalisieren Sie Offenheit und Gesprächsbereitschaft Ihren Studierenden gegenüber.
  • Die Studierenden sind meistens Expertinnen und Experten für ihre Bedarfe. Geben Sie ihnen Gelegenheit diese zu formulieren und überlegen Sie, wie diese ggf. realisiert werden können. Bieten Sie dazu Termine in geschützter und entspannter Athmosphäre an.
  • Verweisen Sie nach Bedarf auf die Beratungsangebote Ihrer Hochschule – dazu unten mehr.
  • Hat die betroffene Person aufgrund der Beeinträchtigung Probleme mit dem Leistungsnachweis oder der Anwesenheitspflicht, dann bietet sich möglicherweise ein Nachteilsausgleich als Lösung an. Hier helfen Ihnen die Beauftragten für Studierende mit Beeinträchtigung weiter.
  • Bieten Sie Ihren Studierenden Strukturen, die hilfreich sind:
    • Stellen Sie Ihre Seminarunterlagen strukturiert zur Verfügung.
    • Bieten Sie verlässliche Abläufe.
    • Setzen Sie realistische Fristen.
    • Stellen Sie Informationen mit genügend Vorlauf zur Verfügung. Kurzfristig versandte Zoom-Links ohne einen aussagekräftige Beschreibung oder Betreff sind schwierig zu finden und können Stress erzeugen.
  • Wenn Sie Ihre Veranstaltung grundsätzlich inklusiv gestalten, dann können auch Studierende mit psychischen Beeinträchtigungen besser mitmachen. Sie können z.B. Sitzungsprotokolle zum Nachlesen anbieten, um Fehlzeiten abzufedern. Davon profitieren u.a. Menschen, die beispielsweise wegen einer akuten depressiven Phase nicht teilnehmen können.

Beratung

In unserer Rubrik „Beratung“ finden Sie eine Übersicht über die Beratungsangebote der verschiedenen Hamburger Hochschulen, aber auch hochschulunabhängige Institutionen, an die Sie sich für Unterstützung wenden können.


Quellen:

DAK-Psychoreport 2020, zuletzt abgerufen am 31.01.22

Jonas Poskowsky, Sonja Heißenberg, Sarah Zaussinger, Julia Brenner (2018): beeinträchtigt studieren – best2. Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung und chronischer Krankheit 2016/17, zuletzt abgerufen am 31.01.22

Autor:innen: Mirjam Bretschneider-Klein, Susanne Peschke, Marie-Luise Schütt