Dagmar will sich vor dem Semesterbeginn genau klarmachen, in welchen Phasen des Semesters der Einsatz eines E-Portfolios sinnvoll sein könnte und das Lernen der Studierenden tatsächlich befördert und unterstützt. Davon abhängig will sie für sich einen Ablaufplan erstellen: Wann muss sie welche Materialien, Impulsfragen, Feedbacks o.ä. einplanen und vorliegen haben, um diese auch für sie völlig neue Methode sicher einsetzen zu können?

KONFUSIUS

"Was muss ich als Lehrende vorbereiten, um diese Methode nutzen zu können?"

"In welchen Phasen meiner Lehrveranstaltung möchte ich die Methode wie einsetzen? Und warum eigentlich?"

"Und daraus abgeleitet: In welcher Phase solle ich wie viel Zeit hierfür einplanen?"

"Welche Informationen benötigen die Lernenden (von mir?), um die Methode als sinnvoll akzeptieren zu können und gut anwenden zu können?"

Um den E-Portfolio-Prozess sinnvoll in ihrer Lehrveranstaltung während des Semesters einzubinden, schaut Dagmar sich zunächst eine schematische Darstellung an, wie der E-Portfolio-Prozess idealtypisch verlaufen kann:

Abbildung 1: E-Portfolio-Prozesse (Hornung-Prähauser et al.2007)

Wie bereits im letzten Kapitel erläutert, sollte die Lehrperson vor dem Einsatz der Methode die Zielsetzung und den Kontext der E-Portfolio-Arbeit klären (Schritt 1 in der Abbildung). Das Ziel, das sie verfolgt, sollte sie anschließend den Lernenden klar und transparent vermitteln. Erst danach kann eine (möglichst auch selbstmotivierte) sinnvolle und zielgerichtete Sammlung und Erstellung von Artefakten durch die Lernenden erfolgen, die mit den vorgegebenen und den eigenen Lernzielen verknüpft werden können (Schritt 2 in der Abbildung).

Im dritten Schritt erfolgt die Reflexion und Steuerung des eigenen Lernprozesses durch die Studierenden. Impulsfragen und die wachsende Befähigung, diese kritisch zu analysieren und zu beantworten, sollen dazu führen, dass die Lernenden ihren Lernprozess besser verstehen und so auch selbst mitgestalten können.

Dagmar wird vor dem Einsatz der E-Portfolio-Methode im nächsten Semester noch klären, wie die Materialien, die die Studierenden in ihren E-Portfolios erstellen und sammeln, präsentiert werden sollen und an wen sie weitergegeben werden sollen (Schritt 4 in der Abbildung):  Zu diesen Fragen gehört, ob die Studierenden das E-Portfolio nur für sich selbst führen sollen, ob sie es der Lehrperson freischalten oder sich auch untereinander (Teile davon) freigeben und Feedback geben und nehmen. Dagmar tendiert zu der dritten Alternative, da sie sich erhofft, so bei ihren Studierenden auch eine (neue) Feedback-Kultur etablieren zu können. So soll nicht nur der eigene Lernprozess kritisch hinterfragt werden, sondern auch anderen Studierenden durch ein Feedback Hilfestellungen und sinnvolle Impulse für deren Lern- und Entwicklungsprozess gegeben werden.

Der im Schema aufgezeigte fünfte Schritt der Bewertung und Evaluation von E-Portfolios erscheint Dagmar für ihre eigene Lehrsituation kritisch, sofern es um die üblichen Noten geht. Da es in vielen Bereichen ihres Lehrstoffes kein richtig und falsch gibt, möchte sie die E-Portfolio-Arbeit der Studierenden nicht mit Noten bewerten. Vielmehr möchte sie – sofern sie merkt, dass die kritische Reflexion des eigenen Lernprozesses noch schwerfällt – Anregungen und weitere Impulse sowie Rückmeldungen zu den bisher verfassten Artefakten geben. Sie stellt sich außerdem etwa nach der Hälfte der Präsenzveranstaltungen und gegen Ende des Semesters einen Austausch in ihrer Lehr­veranstaltung vor, in dem sie mit den Studierenden diskutieren möchte, wie sie den eigenen Kompetenz­aufbau durch die E-Portfolio-Arbeit erlebt haben und einschätzen:

• Hat ein Kompetenzerwerb stattgefunden, der durch diese Methode gefördert und unterstützt wurde?

• Wie haben die Studierenden die Arbeit mit ihren persönlichen E-Portfolios empfunden?

• Können sie nun, am Ende des Semesters, ihre praktischen, beruflichen Erfahrungen besser mit dem theoretischen Wissen, mit bestimmten Modellen und Ansätzen in Verbindung bringen?

• Sehen sie einen roten Faden in ihrer eigenen Entwicklung?

• Und falls dies nicht der Fall ist: Was fehlt ihnen noch, um diesen roten Faden erkennen zu können?

Ausgehend von den Erfahrungen, die Dagmar und ihre Studierenden während dieses ersten Semesters machen, will sie selbst kritisch evaluieren, ob sie auch in den Folgesemestern weiterhin die E-Portfolio-Methode einsetzen möchte. Hierfür wird sie dann ggf. erneut ihre eigenen Ziele klären und für die Studierenden transparent formulieren (wieder Schritt 1 im obigen Schaubild).

Vorbereitungen für den Einsatz der Methode:

Um ihr Semester nicht nur inhaltlich zu planen, sondern auch festzuhalten, welche konkreten Vorbereitungen sie noch für den Einsatz der E-Portfolio-Methode treffen muss und wann sie sie in welcher Form in ihre Lehrveranstaltung einbaut, geht Dagmar die folgenden Fragen systematisch durch:

– Welche organisatorischen Themen und Fragen zum Lehr- und Lernstoff dieses Semesters muss ich zu Beginn des Semesters mit den neuen Studierenden klären? Ab wann kann ich inhaltlich mit meinem Lehrstoff beginnen, und ab wann mit der Einführung der E-Portfolio-Methode?

– Welche Erläuterungen und Erklärungen benötigen die Lernenden, um die E-Portfolio-Methode und ihren (theoretischen) Mehrwert zu verstehen?

– Welche Hilfe und welche Impulsaufgaben oder –fragen sollte ich den Lernenden geben, damit sie ihr eigenes E-Portfolio in der Lernplattform der Hochschule einrichten und auch befüllen können?
Hier unterscheidet Dagmar zwischen (a) inhaltlichen Punkten – also der Überlegung, welche Aufträge und Fragen sie den Studierenden geben wird, damit diese Artefakte für ihre E-Portfolios verfassen und b) technischen Fragen – also dem Umgang mit der E-Portfolio-Plattform der Hochschule. Da dieser zweite Aspekt in Dagmars Augen ein Extrapunkt ist, widmen wir uns dieser Frage im nächsten Kapitel dieses Lernmoduls ausführlicher.

– Wann brauche ich welche Hilfe- und Informations-Materialien zu der Nutzung von E-Portfolios, um sie an meine Studierenden weitergeben zu können?

– Wann im Verlauf meiner Lehrveranstaltung sind Impulse durch E-Portfolio-Aufgaben besonders sinnvoll und lassen auch ausführliche Auseinandersetzungen und Reflexionen der Studierenden mit den entsprechenden Fragen und Themen erwarten?

– Wann bereite ich diese Arbeitsaufträge und Impulsfragen vor?

– Wie viele E-Portfolio-Impulse will ich in diesem ersten Semester geben, in dem die Studierenden die Methode neu kennenlernen? Die Methode soll bekannt und vertraut werden, jedoch nicht in jeder Stunde der Lehrveranstaltung Raum einnehmen – was ist ein guter Kompromiss zwischen diesen beiden Werten?

– Wie bereite ich den Austausch über die bisherigen E-Portfolio-Erfahrungen der Studierenden vor? Und wann setze ich ihn terminlich am besten an?

Ablaufplan für das Semester

Nach Beantwortung dieser Fragen erstellt sich Dagmar einen Plan für ihre Lehrveranstaltung. Hier legt sie besonderes Augenmerk auf die „kritischen Phasen“ des Semesters:

• Vor dem Semester

• In den zwei bis drei Wochen der Lehrveranstaltung

• Etwa zur Hälfte des Semesters

• Zum Abschluss des Semesters

• In der vorlesungsfreien Zeit nach der Lehrveranstaltung

Zu den einzelnen Zeiträumen notiert sie sich, was sie in dieser Phase in ihrer Lehrveranstaltung vorgesehen hat und welche möglichen Impulse und Fragen sie den Studierenden für ihre E-Portfolio-Arbeit geben will. Sie notiert auch, wie umfangreich die Aufgaben bearbeitet werden sollen: Sind es bloße Anregungen, die stichwortartig bearbeitet werden können? Oder erwartet sie bei einzelnen Impulsen ausführlichere Bearbeitungen? Sollen die Artefakte eher in Textform verfasst werden oder können es auch kurze Videos oder Fotogeschichten, Podcasts etc. sein?

Außerdem überlegt Dagmar sich, ob sie die E-Portfolio-Beiträge zu festen Terminen abgeben lassen will und ob sie selbst auf diese Beiträge Feedback geben kann und will oder ob sie ein Peer-Feedback einführt.

Dagmar nimmt ihren ohnehin für das Semester erstellten Plan zur Hand. Außerdem überlegt sie sich, welche organisatorischen Fragen sie mit ihren Studierenden zum Beginn einer Lehrveranstaltung bespricht und wie viel Zeit dies in Anspruch nimmt. Nach diesen organisatorischen Fragen will sie zunächst einen inhaltlichen Überblick über das Semester geben.

Davon ausgehend überlegt Dagmar sich, dass sie frühestens in der zweiten Woche des Semesters, wahrscheinlicher aber erst in der dritten Woche mit der Einführung der E-Portfolio-Methode beginnen wird.

Nach ihren Überlegungen entscheidet sich Dagmar außerdem, dass sie in dieser zweiten oder dritten Woche eine kurze Darstellung benötigt, was ein E-Portfolio ist und auch bis dahin ein Hilfstutorial oder eine Anleitung gefunden oder erstellt haben muss, die sie den Studierenden an die Hand geben will.

Dagmars Übersichtsplan für ihr Semester und den Einsatz der E-Portfolio-Methode sieht nun so aus:

 

WANN? WAS?
Vor dem Semester Überlegen, ab wann die Methode eingesetzt werden soll
Sich selbst in die E-Portfolio-Plattform der Hochschule / Institution einarbeiten und prüfen, ob sie den Studierenden ihrer Lehrveranstaltung zur Verfügung steht bzw. welche Voraussetzungen hierfür zu erfüllen sind.
Vor der zweiten (maximal dritten) Woche der Lehrveranstaltung = vor dem ersten Einsatz der Methode Übersicht (ggf. auch als Handout für die Studierenden) erstellen, was ein E-Portfolio ist.
Hilfsmaterialien erstellen oder heraussuchen, die die Lehrende den Studierenden gibt, damit diese mit dem E-Portfolio-System zurecht kommen.
Eine Arbeitsaufgabe für den ersten Einsatz des E-Portfolios erstellen. Hier geht es noch nicht um eine intensive Reflexion, sondern um das Anlegen des eigenen E-Portfolios und das Kennenlernen der E-Portfolio-Software und Plattform.
Es genügt daher eine einfache Impuls-Aufgabe zum Einstieg mit der E-Portfolio-Arbeit.
In der zweiten (oder dritten) Woche der Lehrveranstaltung Arbeitsauftrag / erste Reflexionsimpuls für das E-Portfolio austeilen und als Hausaufgabe vergeben.
Im Anschluss an die Aufgabe in der zweiten (oder maximal dritten) Woche der Lehrveranstaltung

 

Die Lehrende muss Zeit einplanen, um sich die eingereichten E-Portfolios der Studierenden anzusehen und Feedback dazu zu geben.
In der Lehrveranstaltung in der dritten Woche Neben der Zeit für die reinen Lehrinhalte plant Dagmar auch Zeit ein, um über die ersten E-Portfolio-Erfahrungen der Studierenden zu sprechen: Gibt es Fragen oder Anmerkungen der Studierenden? Was hat gut funktioniert? Und was noch nicht so gut? Wo gab es Probleme beim Verfassen der Texte oder bei der Nutzung der E-Portfolio-Software?
In den nachfolgenden Wochen Ggf. weitere Impulse und Anregungen für die E-Portfolio-Arbeit geben. Und sofern diese Arbeitsaufträge erfolgen: Zeit dafür einplanen, den Studierenden auch ein Feedback zu ihren Einträgen und Artefakten zu geben oder ein Peer-Feedback zu organisieren.

Hierfür plant Dagmar zum einen für die Formulierung der Impulse und Arbeitsaufträge ein bis zwei Stunden ein. Und zum anderen für das Feedback oder die Organisation des Peer-Feedbacks weitere drei Stunden.

Etwa zur Hälfte des Semesters Dagmar plant eine Einheit in ihrer Lehrveranstaltung ein, in der sie auch darauf eingehen möchte, wie es den Lernenden mit der E-Portfolio-Methode „so geht“:
Kommen sie mit dieser Methode zurecht?
Wie „fühlt es sich an“, E-Portfolio-Beiträge zu schreiben?
Und wie ist es, diese jemand anderem freizugeben und ein Feedback zu bekommen?
Sollte aus Sicht der Studierenden etwas an dem Prozess verändert werden?
Können sie von positiven Erfahrungen und ggf.sogar schon von einem veränderten Lernverhalten berichten?

Dagmar schwebt eine offene Diskussion zu diesem Thema vor. Sie plant hierfür eine Sitzung der Lehrveranstaltung ein, da sie wirklich erreichen möchte, dass ihre Studierenden mit der E-Portfolio-Methode vertraut werden.

Im weiteren Verlauf des Semesters Je nach Inhalt der Lehrveranstaltung weitere (kurze) Impulse und Arbeitsaufträge für die Erstellung von Artefakten für die E-Portfolios.

Hierfür plant Dagmar insgesamt für den weiteren Verlauf des Semesters ca. zwei Stunden ein.

Dagmar erhofft sich, dass im weiteren Verlauf des Semesters nicht mehr jeder E-Portfolio-Beitrag von jemandem gelesen und mit einem Feedback versehen werden muss, sondern dass sich die Methode bereits ein wenig verfestigt hat.

Sie plant daher keine weitere Zeit in der zweiten Semesterhälfte für Feedback ein.

Zum Abschluss des Semesters Dagmar plant ein, zum Abschluss des Semesters eine weitere ausführliche Diskussion und Präsentation der E-Portfolios in die Lehrveranstaltung einzubauen. Für die Vorbereitung dieser Sitzung plant sie ca. zwei Stunden ein.
Zum Abschluss des Semesters Alternativ oder auch ergänzend kann Dagmar sich eine Evaluation des E-Portfolio-Einsatzes vorstellen. Sie denkt hierbei an einen kurzen Fragebogen mit ca. 3-5 offenen Fragen und weiteren Ankreuzfragen. Für die Erstellung dieses Fragebogens sowie für die Auswertung der Antworten plant Dagmar insgesamt ca. 5 Stunden ein.
In der vorlesungsfreien Zeit nach der Lehrveranstaltung Zur persönlichen Evaluation der neuen Methode plant Dagmar für die vorlesungsfreie Zeit ein bis zwei Stunden ein, um die durchgeführten Phasen noch einmal selbst zu reflektieren und kritisch zu betrachten, welche Ergebnisse sie bei ihren Studierenden wahrgenommen hat oder welche Rückmeldungen die Studierenden ihr explizit gegeben haben.

 

ARBEITSAUFTRAG

Beantworten Sie die Fragen, die Dagmar sich stellt, für Ihre eigene Lehrsituation. Erstellen Sie dann einen Plan, in welchen Phasen Ihres Semesters Sie Impulse für die E-Portfolio-Arbeit geben wollen. Dabei kann Ihnen das Vorgehen von Dagmar als Orientierung dienen, vielleicht sieht Ihr Ablaufplan aber auch völlig anders aus?

Planen Sie möglichst konkret: Welche Fragen oder Reflexions-Impulse geben Sie Ihren Lernenden? Notieren Sie sich bereits Impulsfragen oder Aufgaben zu dem konkreten Lehrstoff, die Ihnen sinnvoll erscheinen.

Überlegen Sie: Wie viel Zeit können – und wollen – Sie im nächsten Semester für diese Methode einplanen?

 


ABBILDUNGSVERZEICHNIS


Abbildung 1: E-Portfolio-Prozesse: Hornung-Prähauser, Veronika; Geser, Guntram; Hilzensauer, Wolf; Schaffert, Sandra (2007). Didaktische, organisatorische und technologische Grundlagen von E Portfolios und Analyse internationaler Beispiele und Erfahrungen mit E Portfolio Implementierungen an Hochschulen. Studie der Salzburg Research Forschungsgesellschaft im Auftrag des Forum Neue Medien in der Lehre Austria/fnm austria. S.15f


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