Dagmar will sich im Vorfeld des Einsatzes eines E-Portfolios verdeutlichen, was die Methode den Studierenden konkret bringt. Da sie weiß, dass die Studierenden zeitlich ziemlich unter Druck stehen und eine Vielzahl von Themen bedienen müssen, erhofft sie sich, durch die eigene Klarheit auch gute und für die Studierenden einleuchtende Argumente zu haben, ihr E-Portfolio zu nutzen und eine gute Motivation der Lernenden zu erreichen.

KONFUSIUS

"Was bringt die E-Portfolio-Methode den Studierenden? Außer noch mehr Arbeit ….?"

"Was erhoffe ich mir als Lehrende / Lehrender durch diese Methode?"

"Passt die Methode überhaupt zu mir – und zu meinen Lernenden?"

Dagmar will im Vorfeld des Einsatzes der E-Portfolio-Methode diese Fragen für sich klären:

Zunächst reflektiert sie, was sie sich von dem Einsatz der E-Portfolio-Methode in ihrer Lehrveranstaltung eigentlich genau erhofft.

Diese Frage kann Dagmar sich rasch beantworten: Sie erhofft sich, dass die Lernenden durch die E-Portfolio-Methode ihren eigenen Lernprozess und Entwicklungen während dieses Prozesses kritisch betrachten und hinterfragen. Durch geeignete Impulsfragen und Aufgaben, die sie in verschiedenen Phasen des Semesters stellen will, will sie die Studierenden dazu bringen, nicht nur bloße Fakten für Prüfungen auswendig zu lernen, sondern das Gelernte und die eigenen praktischen Erfahrungen in einen Zusammenhang zu stellen. So soll das selbstbestimmte Lernen der Studierenden angeregt und gefördert werden:

Aus hochschuldidaktischer Perspektive ist das Portfolio-Konzept bedeutsam, weil es eine ganzheitliche, integrative Sicht auf die Lernprozesse der Studierenden bietet und den Studierenden potenziell Elemente selbstbestimmten Lernens eröffnet. Übliche Formen des Leistungsnachweises wie Referate, Hausarbeiten, Klausuren oder Tests reduzieren die studentischen Leistungen auf das Abrufen eines Produktes oder einer Reflexionsaufgabe zu einem definierten Zeitpunkt in vorgegebener Form. Lehrportfolios bieten dagegen die Möglichkeit, die Lernprozesse der Studierenden ganzheitlich zu strukturieren, ihre Entwicklungen zu betreuen und bei der Bewertung zu berücksichtigen. Studierende können in diesem Prozess Mitgestaltungsoptionen erhalten. Die didaktische Gestaltung beginnt dann bei der Handlungssituation in der Lehrveranstaltung, in der unterschiedliche „Werkstücke“ entstehen, unterstützt die Studierenden in der Reflexion ihrer „Werkstücke“ und gibt ihnen über die Auswahl ihrer eigenen Arbeitsergebnisse die Möglichkeit, sich über die Qualität und die Bedeutung der Ergebnisse Gedanken zu machen und dieses zu formulieren.

(Merkt 2007)

So ähnlich findet Dagmar es auch in einer anderen Quelle erläutert:

Die Arbeit mit dem Portfolio bietet die Chance einer Verknüpfung von Theorie und Praxis. Durch das Reflektieren des eigenen Handelns in den verschiedenen Praktika kann ein tieferes Verständnis für die Praxis gewonnen werden. Im Idealfall bietet die Hochschulbetreuung den theoretischen Hintergrund und kann somit Erklärung bieten, warum manche Vorhaben nicht wie geplant durchführbar waren, oder warum sich manche SuS [Anmerkung: Schüler und Studierende] entsprechend verhalten. Das simple Wissen darüber hilft aber noch nicht viel weiter. Das Wissen muss eine Bedeutung bekommen. Diese Bedeutung wird ihm durch die Einbettung in einen individuellen Zusammenhang zwischen Praxis und Theorie gegeben.

(vgl.: http://geoges.ph-karlsruhe.de/mhwiki/index.php5/E-Portfolio#Wozu_ein_E-Portfolio.3F)

Dagmar erhofft sich, den Studierenden in ihrer Lehrveranstaltung durch den Einsatz der E-Portfolio-Methode zu helfen, das Gelernte kritisch hinterfragen und in den jeweils eigenen Praxiszusammenhang einbetten zu können. Abgesehen davon sollen sich die Lernenden durch ein regelmäßig geführtes E-Portfolio einen guten Überblick über das bereits Gelernte erhalten und im besten Fall den „roten Faden“ ihres Studiums sehen können. Gerade das Fehlen eines erkennbaren roten Fadens während des gesamten Studiums wird häufig in den Evaluationsbögen der Studierenden kritisch angemerkt.

Im nächsten Schritt fragt sich Dagmar, ob die Methode E-Portfolio zu den Lernenden passt, die in ihre Lehrveranstaltung kommen? Wie kann sie es schaffen, dass sich die Studierenden auf diese Methode einlassen und ihren Mehrwert für sich erkennen?

In Dagmars Lehrveranstaltung geht es um Themen, bei denen es nicht immer ein richtig und falsch gibt. Es können verschiedene Ansätze gelten und auch mit Argumenten belegt und begründet werden. Häufig ist ein kritischer fachlicher Diskurs gefragt, um dann eine begründete Stellung zu einem Thema und einer ganz konkreten Situation einnehmen zu können. Insofern sind die Studierenden ihrer Lehrveranstaltungen Diskussionen zu offenen Fragestellungen gewohnt. Auch die Arbeit mit (Fach-)Texten sowie das Schreiben eines eigenen Textes sollte ihre Lernenden nicht vor eine große Hürde stellen.

Insofern kann sich Dagmar sehr gut vorstellen, dass die Themen ihrer Lehrveranstaltung für die E-Portfolio-Methode geeignet sind und die Studierenden grundsätzlich mit der E-Portfolio-Arbeit zurechtkommen sollten. Die Lernenden, die im Vorfeld zu ihrem Studium bereits eine berufliche Ausbildung oder auch eine berufliche Praxisphase durchlaufen haben, haben häufig schon einen Standpunkt zu Themen und Fragen, die in ihrer beruflichen Praxis aufkommen. In vielen Fällen mag dieser Standpunkt nicht wissenschaftlich belegt und systematisch entstanden, sondern auch eine pragmatische oder eine „Bauch-Entscheidung“ sein. Dies möchte Dagmar wenn möglich durch die E-Portfolio-Arbeit aufgreifen und den Studierenden helfen, ihre Standpunkte begründet einnehmen zu können. Ebenfalls durch die bereits durchlaufene berufliche Ausbildung bringen die Studierenden in Dagmars Lehrveranstaltungen eine weitere wichtige Kompetenz bereits mit: Sie haben das eigenverantwortliche Lernen häufig bereits kennen- und auch schätzen gelernt. Hier sieht Dagmar für die Lernenden ihrer Veranstaltung also keine großen Probleme.

Anders könnte es eventuell sein bei der Frage, ob sich ihre Studierenden auf die Arbeit in einer Web-Plattform einlassen. Zwar haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer Lehrveranstaltungen mittlerweile (fast) alle ein Smartphone oder auch ein Tablett, doch die Nutzung einer durch die Hochschule vorgegebenen Plattform ist etwas anderes als der Austausch per Kurznachrichten oder das Ansehen von Fotos bei Instagram oder Videos bei YouTube. Dagmar ist klar, dass sie die Plattform und ihre Funktionen den Studierenden auch näherbringen muss, um eine Akzeptanz der Methode zu erreichen. Sie erhofft sich, durch eine gute Erklärung der Funktionen und die richtigen Impuls-Aufgaben diese ersten Hürden zu nehmen. Sobald die Benutzung der Plattform eingeübt ist, sieht sie keine großen Probleme.

 

Dagmar fragt sich aber auch, ob die E-Portfolio-Methode zu ihr als Person passt?

Bisher hat Dagmar in ihren Lehrveranstaltungen vor allem auf den persönlichen Austausch viel Wert gelegt. Reflexionen über Impulsfragen oder den Lernprozess wurden, sofern sie bisher ein Teil der Lehr- und Lerninhalte waren, direkt persönlich in der Gruppe der Studierenden geführt oder waren ein Bestandteil von Hausaufgaben, die sie dann von den Studierenden eingesammelt und bewertet hat. Häufig haben sich im Anschluss an diese Aufgaben dann noch Diskussionen ergeben. Der direkte Austausch ist Dagmar wichtig und auch für die fachliche Entwicklung und den fachlich orientierten Diskurs der Studierenden relevant.

Dagmar hat nach ihren Recherchen aber verstanden, dass die E-Portfolio-Methode sehr hilfreich sein kann, um als Ausgangspunkt für genau diesen direkten und persönlichen Austausch und den fachlichen Diskurs zu dienen. Sofern sie geeignete Impulsfragen und Aufgaben stellt und die Studierenden dazu motivieren kann, sich im Rahmen ihres E-Portfolios Gedanken dazu zu machen, können die Beiträge, die die Lernenden in ihren E-Portfolios verfassen als Thesen für Diskussionen verwendet werden.

Dagmar beschließt, sich hier in einem weiteren Schritt noch zu überlegen, ob sie sich nur selbst die Beiträge der Studierenden in den E-Portfolios ansehen wird oder ob sie im Rahmen der Methode auch das Thema Feedback geben und nehmen vertieft aufgreifen möchte. Sie könnte die Studierenden hierfür beispielsweise auch bitten, sich (einzelne) E-Portfolio-Texte gegenseitig freizuschalten und gegenseitig ein Feedback dafür zu geben. Dagmar ist bewusst, dass das Geben von Feedback auch erlernt werden muss und eine wichtige Sozialkompetenz ist. Da diese aber auch in ihrem Lehrkontext eine große Rolle spielt, ist dies erst recht ein Argument für Dagmar, die E-Portfolio-Methode in ihrer Lehrveranstaltung einzusetzen und damit diese Kompetenz ganz gezielt anzusprechen und zu fördern.

Dagmar fragt sich, wie sie es schaffen kann, dass sich ihre Studierenden offen auf die E-Portfolio-Methode einlassen?

Damit sich die Lernenden offen auf die E-Portfolio-Arbeit einlassen und nicht nur Texte verfassen, von denen sie annehmen, dass sie von der Lehrperson erwünscht sind, entscheidet Dagmar, dass sie die E-Portfolios ihrer Studierenden nicht mit Noten bewerten will. Sie will den Studierenden verdeutlichen, dass E-Portfolios sie bei ihrem Lernprozess unterstützen können und sollen und dass es nicht um eine Kontrolle durch sie als Lehrperson geht.

Außerdem ist ihr klar, dass die Arbeit mit einem E-Portfolio für die Lernenden nur positiv verlaufen und einen Mehrwert haben kann, wenn sie als Lehrende vorab ganz klar und transparent formuliert, welche Ziele sie damit verfolgt und den Lernenden klare Arbeitsaufträge für die Erstellung der Inhalte gibt sowie ihre Erwartungen formuliert. Hier erweist sich für Dagmar die Aufstellung von Kriterien an ein Portfolio nach Challis (2005) als sehr hilfreich:

• Auswahl des Materials: Das Material des E-Portfolios wird sorgfältig ausgewählt, sodass ein in sich schlüssiges Gesamtwerk entsteht. Es gibt keinen missverständlichen oder unpassenden Beitrag.

• Level der Reflexion: Die Reflexion sollte Tiefe und Gründlichkeit aufweisen und sowohl eigene Einschätzungen beinhalten als auch auf Rückmeldung anderer eingehen.

• Inhalt: Der Inhalt sollte sprachlich korrekt verfasst sein, gute und langfristige Überlegungen darstellen und das Thema vielschichtig und breitgefächert präsentieren.

• Einsatz von Multimedia: Ein sinnvoller und qualitativ hochwertiger Einsatz von Medien sollte gewährleistet sein und die Beiträge veranschaulichen.

• Design: Die Darstellung sollte übersichtlich und angemessen gestaltet sein und die Persönlichkeit des Autors repräsentieren.

• Navigation: Eine gute Navigation zeichnet sich durch klare Strukturen und umfassende Vernetzung aus, die dem Nutzer individuelle Wege ermöglicht.

 

Eine weitere Frage, die Dagmar sich im Vorfeld stellt, lautet: Habe ich neben dem fachlichen Input genug Zeit, die E-Portfolio-Methode in meiner Lehrveranstaltung einzuführen und umzusetzen? Was muss ich vorab erklären?

Diesen Fragen geht Dagmar im nächsten Kapitel ausführlich nach.

ARBEITSAUFTRAG

Bitte reflektieren Sie und notieren sich, was Sie sich von dem Einsatz der E-Portfolio-Methode konkret für Ihre eigene Lehrveranstaltung erhoffen.

Gleichen Sie diese Überlegungen, die Sie vor dem Einsatz der Methode angestellt haben,  am Ende der Lehrveranstaltung / zum Abschluss des Semesters noch einmal kritisch mit dem tatsächlich Erreichten ab. Sind Ihre Erwartungen erfüllt worden? Was ist gelungen, was eher nicht?

 


LITERATURVERZEICHNIS


Challis, D. (2005): Towards the mature ePortfolio: Some implications for higher education. In: Canadian Journal of Learning and Technology, 31 (3), URL: https://www.cjlt.ca/index.php/cjlt/article/view/26488/19670 (zuletzt eingesehen am 16.07.2018)

Marianne Merkt (2007): ePortfolios – der „rote Faden“ zur Kompetenzentwicklung in Bachelor- und Masterstudiengängen. In: Merkt, Marianne; Mayrberger, Kerstin; Schulmeister, Rolf; Sommer, Angela; Berk, Ivo van den Berk [Hrsg.]: Studieren neu erfinden – Hochschule neu denken. Münster u.a.: Waxmann 2007, S. 285-295. Medien in der Wissenschaft; 44

ERGÄNZENDES LERNMATERIAL ZUR VERTIEFUNG

Geo & Ges: das kollaborative Wiki des Instituts für transdisziplinäre Sozialwissenschaft und deren Fach- und Mediendidaktik. Dort: E-Portfolio. URL: http://geoges.ph-karlsruhe.de/mhwiki/index.php5/E-Portfolio (zuletzt eingesehen am 16.07.2018)

 


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