Studieren mit einer psychischen Erkrankung – geht das überhaupt? Wie wirkt sich das Studium auf die Erkrankung aus? Und wie anders herum?
Im Austausch mit betroffenen Studierenden aus verschiedenen Studiengängen haben wir erfahren, wie sich das Studium und das Studieren auf die psychische Gesundheit auswirken können. Manche dieser Auswirkungen empfinden diese Studierenden als positiv, d. h. bestärkend und unterstützend bis gesundheitsfördernd. Andere Aspekte sind eher belastend und verschlechtern den Gesundheitszustand aus Sicht der befragten Studierenden.
Wir haben diese Punkte aufgelistet und danach sortiert, ob sie eher für oder gegen ein Studium sprechen. Diese Liste ist natürlich nicht erschöpfend und allgemeingültig, sondern stellt zunächst eine Sammlung möglicher Auswirkungen des Studiums auf die psychische Gesundheit (bei drohender, bestehender oder ehemals vorhandener Erkrankung) dar. Wahrscheinlich werden nicht alle Aspekte auf jeden Menschen zutreffen und möglicherweise gibt es noch welche, die wir hier nicht aufgeführt haben.
Insgesamt soll unsere Liste Mut machen, für das Thema der psychischen Erkrankungen sensibilisieren und zum Nachdenken anregen.
Wir danken allen Studierenden, die sich mit ihren persönlichen Erfahrungen und Gedanken an der Erstellung dieses Textes beteiligt haben.
Für einen persönlichen Eindruck haben wir Erfahrungsberichte in Form von Texten, Interviews und Comics gesammelt.
Welche Aspekte des Studiums/Studierens können sich positiv auf die psychische Gesundheit auswirken?
- Ein Studium bietet Beschäftigung, schafft Struktur im Alltag und gibt Sinnhaftigkeit. Dies kann das Gefühl von Selbstwirksamkeit stärken.
- Ein Studienabschluss bieten neue Perspektiven für das weitere (Berufs-) Leben.
- Ein Studium kann ein sanfter Einstieg ins Arbeitsleben sein (Gewöhnung an Struktur, Belastung, Aufgaben…).
- Die Hochschule oder Universität bieten eine im Idealfall geschützte, sichere Umgebung, die es ermöglicht (sich) auszuprobieren und positive Erfahrungen zu machen. Bestandene Herausforderungen können das Selbstvertrauen stärken und die Resilienz (= psychische Widerstandsfähigkeit) fördern.
- Ein Studium kann zur Entfaltung des eigenen Potenzials sowie zur Entwicklung eigener Interessen beitragen.
- Ein Studium bietet Austausch mit anderen – ganz allgemein, aber auch speziell zu psychischen Erkrankungen oder verwandten Themen. Hier können neue Kontakte geknüpft, Freundschaften geschlossen und soziale Strukturen aufgebaut werden. Dies kann zu einer Stabilisierung der psychischen Gesundheit beitragen.
Welche Aspekte des Studiums/Studierens können sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken?
- Mangelnde oder fehlende Struktur in manchen Studiengängen (weil alles sehr frei wählbar), spontane Änderungen im Kursplan oder ähnliches können ein Gefühl von Unsicherheit verstärken.
- Stress und Belastung bis hin zu Überforderung durch (zu) hohes Arbeitspensum, schwierige Aufgaben, kurze Abgabefristen, Anwesenheitspflichten, Präsentationen vor der Gruppe, Leistungsdruck, „sozialer Stress“ (insbesondere in Gruppensituationen), aber auch Misserfolge oder Konflikte mit anderen Menschen können die persönliche Symptomatik verschlechtern und die Belastbarkeit schwächen.
- Themen in Vorlesungen oder Seminaren können triggern.
- Eine mögliche Reizüberflutung durch Geräusche und Lärm, Licht, Interaktionen mit anderen etc. wirkt sich bei manchen Betroffenen erschwerend auf die psychische Erkrankung aus.
- Stigmatisierungserfahrungen durch Lehrende, Beschäftigte oder Kommiliton*innen können dazu führen, sich rechtfertigen oder die eigene Erkrankung verheimlichen zu müssen.
- Finanzielle Unsicherheiten bzw. Belastungen können sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken, wenn z. B. die Regelstudienzeit nicht eingehalten werden kann und es dadurch zu Problemen beim BAföG und bei Krediten kommt. Auch zur Finanzierung des Studiums notwendige Nebenjobs können eine Belastung darstellen.