Wie kann ich damit umgehen?

Lehrende sind Fachexpert*innen auf ihrem Gebiet, jedoch nicht unbedingt vertraut mit psychischen Erkrankung bzw. dem Umgang mit betroffenen Studierenden. Sie stellen sich möglicherweise Fragen wie:

  • Woran erkenne ich, dass jemand Hilfe oder Unterstützung benötigt?
  • Wie kann ich auf Studierende zugehen bzw. sollte ich dies überhaupt proaktiv tun?
  • Wie kann ich ein (vertrauensvolles) Gespräch gestalten?
  • Was ist meine Aufgabe oder Rolle?
  • An wen kann ich verweisen?
  • Wohin kann ich mich mit meinen eigenen Fragen wenden?

Hier geben wir einige Hinweise und Tipps, zum Umgang mit Situationen, die neu oder fremd sind, mit denen kein routinierter Umgang herrscht und in denen unklar ist, was zu tun ist.

Hinweise für die Kontaktaufnahme und Kommunikation

Gesprächsangebote machen

  • Es ist hilfreich, Studierende zu Beginn der Lehrveranstaltungen auf Nachteilsausgleiche oder Beratungsangebote hinzuweisen. Diese Informationen könnten z. B. schriftlich in EMIL hinterlegt werden.
  • Auch ein Hinweis auf die eigene Erreichbarkeit oder Sprechzeit und die möglichen Arten der Kontaktaufnahme ist sinnvoll.

Hilfreiche Rahmenbedingungen für Gespräche

  • Gespräche sollten mit Ruhe und nicht zwischen Tür und Angel stattfinden.
  • Wenn es Ihnen möglich ist, ist es sinnvoll, Gesprächstermine mit betroffenen Studierenden abzustimmen. Je nach Auswirkung der Beeinträchtigung kann es sein, dass Termine z. B. früh morgens oder spät nachmittags nicht so fruchtbar sind. Für manche Studierende sind vereinbarte Einzeltermine besser, als die allgemeine offene Sprechzeit, da sie die Wartezeit vor und während dieser schwer aushalten können. Eine Alternative kann eine grundsätzliche Anmeldung zur Sprechzeit z. B. über EMIL sein.
  • Sorgen Sie für ein ungestörtes Gesprächsklima und vermeiden Sie Unterbrechungen.
  • Ein Hinweis auf den zeitlichen Rahmen des Gesprächs kann Struktur geben.
  • Passen Sie die Gesprächsdauer je nach möglicher Aufnahmefähigkeit und Konzentration an. Regen Sie Studierende eventuell zum Mitschreiben an.

Gespräche gestalten

  • Signalisieren Sie Interesse und Gesprächsbereitschaft. Betroffene Studierende haben uns weitergegeben, dass Sie sich besonders angenommen und wertgeschätzt fühlten, wenn eine respektvolle Begegnung auf Augenhöhe stattgefunden hat.
  • Akzeptieren Sie es, wenn Studierende nicht alles von sich preisgeben wollen.
  • Manchmal ist es angebracht, eigene Unsicherheiten offen anzusprechen, z. B.: „Ich muss das noch besser verstehen, darf ich fragen, warum… Sie müssen aber nicht antworten.“
  • Erteilen Sie keine Ratschläge und bagatellisieren Sie nicht: „Prüfungsangst haben doch alle“ oder „Depressionen bei einem Drittversuch sind doch normal“ oder „Ach, das kriegen Sie schon hin“. Solche Sätze im Sinne von „Stellen Sie sich nicht so an!“ sind für betroffene Studierende sehr kränkend und helfen hier nicht weiter.
  • Klären Sie für sich Ihre Grenzen. Mit welchem Anliegen kommen die Studierenden zu Ihnen? Was ist Ihr Auftrag und was ist Ihre Rolle? Eine wichtige Aufgabe ist die chancengerechte Teilhabe von Studierenden. Wenn Ihnen bestimmte Themen zu viel sind, begrenzen Sie das Gespräch auf die studienbezogenen Inhalte und vermitteln Sie die Studierenden stattdessen weiter.
  • Verweisen Sie an die entsprechenden Anlaufstellen und stellen ggf. einen direkten Kontakt her.
  • Weisen Sie Studierende auf die Möglichkeit von Nachteilsausgleichen hin.
  • Behalten Sie das Besprochene für sich und wahren Sie den Datenschutz und das Vertrauen, das Ihnen entgegengebracht wurde. Sprechen Sie, falls nötig, anonymisiert mit jemandem über eine Lehr- oder Gesprächssituation, die Sie beschäftigt (hat) oder klären Sie das Einverständnis der Studierenden.
  • Nehmen Sie gern die Beratungsangebote für Lehrende in Anspruch und holen Sie sich selbst Unterstützung.
  • Reagieren Sie, wenn Sie den Eindruck haben, dass bei den Studierenden eine Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt. Holen Sie sich Unterstützung oder rufen im Notfall den Rettungsdienst (112) und in Gefahrensituationen die Polizei (110)

Mehr zu psychischen Erkrankungen im Allgemeinen und den Krankheitsbildern im Speziellen finden Sie hier.

Hilfreiche Rahmenbedingungen und Nachteilsausgleiche

Beispiele für gute Rahmenbedingungen in Lehrveranstaltungen

  • Vermeidung von langen Blockseminaren bzw. Planung angemessener Pausen
  • frühzeitiges Bereitstellen von Skripten und Lehrmaterialien zur Vor- und Nachbereitung. Rechtzeitige Abfrage, ob diese Materialien angepasst werden müssen. Nicht nur sehbeeinträchtigte Studierende nutzen eine Vorlesesoftware.
  • frühe Bekanntgabe von Referats- und Hausarbeitsthemen und Literatur
  • bei Bedarf engere Betreuung bei der Strukturierung und Aufgabenunterteilung von Haus- und Abschlussarbeiten
  • Transparenz von Terminen und Fristen
  • Visualisierung von Diskussions- oder Zwischenergebnissen in Seminaren
  • Wahl zwischen Einzel- oder Gruppenarbeiten und/oder Angebot verschiedener Prüfungsformen für alle
  • Gruppenarbeiten begleiten um ggf. eine negative Gruppendynamik zu erkennen
  • bedarfsgerechte Sitzplätze ermöglichen z. B. nah an der Tür oder ein Platz mit möglichst wenig Ablenkungspotential oder immer der gleiche Sitzplatz für Studierende, die diese Routine benötigen
  • bei Bedarf Begleitung zu einer Prüfung durch eine Vertrauensperson ermöglichen
  • für Ruhe im Seminarraum sorgen
  • Stereotype und Bewertungen vermeiden, wie z. B.: „Naja, wir sind ja alle mal schlecht drauf“.
  • eine wertschätzende und wertneutrale Gesprächskultur in den Vorlesungen fördern, Vorurteile benennen und zur Diskussion stellen, insbesondere bei Vorlesungen, die das Thema psychische Gesundheit/Krankheit berühren
  • Überforderung und Zeitdruck vermeiden

Beispiele für Anpassungen im Studium

  • Bevorzugter Zugang zu teilnahmebeschränkten Lehrveranstaltungen, damit Studierende ihren Stundenplan z. B. an Therapie- und Ruhezeiten, (Neben-) Wirkungen von Medikamenten und ihre jeweiligen Leistungsfähigkeit anpassen können
  • Bereitstellung von Ruheräumen bzw. der Hinweis darauf
  • Verlängerung von Fristvorgaben für den Studienverlauf
  • individuell gestreckter Stunden- und Studienplan

Beispiele für nachteilsausgleichende Maßnahmen für Studien- und Prüfungsleistungen

  • Kompensation fehlender Anwesenheit durch Ersatzleistungen
  • Erbringen von Studien- oder Prüfungsleistungen in einer anderer als der vorgesehenen Form
  • Umwandlung von Gruppenarbeiten in Einzelarbeiten oder Präsentationen zum Beispiel vor einer kleinen Gruppe statt vor der Gesamtgruppe
  • Termine für mündliche Prüfungen je nach Situation anpassen bzw. mit den zu Prüfenden abstimmen, z. B. nicht frühmorgens oder spätnachmittags wegen (Neben-) Wirkungen von Medikamenten oder Auswirkungen von Schlafstörungen
  • Angemessene Verlängerung von Fristen für Hausarbeiten etc.
  • Erholungspausen in Klausuren, die nicht auf die Bearbeitungszeit angerechnet werden
  • Eigener Bearbeitungsraum für Klausuren
  • Nutzung von Hilfsmitteln zulassen. Dies können Hilfsmittel zur Regulation von Spannungszuständen sein, z. B. Antistressball, Gummibänder schnippen, Pepperoni essen, oder auch Hilfsmittel, die die Konzentration verbessern (z. B. Noise Cancelling Kopfhöhrer)
  • Verlängerung der Zeiträume zwischen einzelnen Studien- oder Prüfungsleistungen
  • Splitten einer Prüfungsleistung in Teilleistungen
  • Ableisten des Praktikums in Teilzeit

Was ist ein Nachteilsausgleich und wie wird ein Antrag gestellt?

Das Deutsche Studentenwerk hat eine Arbeitshilfe für Beratende herausgegeben: Dr. Maike Gattermann-Kasper: Nachteilsausgleich für Studierende mit Beeinträchtigungen



Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 15.04.2021