VERÄNDERN: Soziale Bewegungen – Frauenbewegungen

Neben den vorgestellten Gleichstellungspolitiken waren und sind für die Veränderung der Geschlechterverhältnisse seit jeher politischer Protest und Widerstand auch außerhalb formaler Institutionen zentral. Menschen engagieren sich in sozialen Bewegungen oder aktivistischen Gruppen, um gegen Diskriminierung und Unterdrückung zu kämpfen. Wenn es um Geschlecht und Sexualität geht, sind das z.B. Bewegungen von Frauen, Lesben, Schwulen oder trans*- und inter*-Personen. Der Abschnitt zu LSBTI*Q-Bewegungen folgt. Mehr zur Frauenbewegung in Deutschland erfährst du hier.

Frauenbewegungen in Deutschland

Die westliche Frauenbewegung (auch: Feminismus) setzt sich seit Mitte des 19 Jahrhunderts für die Gleichberechtigung und Emanzipation von Frauen ein. Der Feminismus war nie eine einheitliche Bewegung, sondern geprägt von vielen verschiedenen Stimmen und auch von inner-feministischen Kontroversen. Deshalb wird auch von Feminismen im Plural gesprochen.

Häufig wird die Frauenbewegung in drei Wellen eingeteilt.

Historischer Entstehungskontext: Märzrevolution 1948;  Zentrale gemeinsame Forderung: Frauenwahlrecht

Unterschiedliche Strömungen:

  • Bürgerliche Frauenbewegung

Forderungen: politische Rechte (z.B. Wahlrecht, Recht politische Vereine zu Gründen), Recht auf Erwerbsarbeit, Bildung für Frauen, Kampf gegen Prostitution

Bekannte Akteurinnen: Gertrud Bäumer, Helene Lange, Marianne Weber // ab 1984: Bund deutscher Frauenvereine (BDF)

  • Proletarische/ sozialistische Frauenbewegung
    Forderungen: politische Rechte (z.B. Wahlrecht, Recht politische Vereine zu Gründen), Verbesserung der Situation der Arbeiterinnen, Klassenkampf/Kapitalismuskritik

Bekannte Akteurinnen: Clara Zetkin, Rosa Luxemburg

  • Radikaler Flügel

Forderungen: Kampf um Frauenrechte, Frauenwahlrecht, Kampf gegen Sexualreform
Bekannte Akteurinnen: Anita Augsprung, Minna Cauer, Marie Stritt

1918 wurde das Frauenwahlrecht eingeführt und damit die zentrale gemeinsame Forderung erfüllt. In den folgenden Jahren war die Frauenbewegung von internen Konflikten und Nachwuchsproblemen geplagt. Der BDF löste sich 1933 selbst auf.

Historischer Entstehungskontext: 1968-Bewegung/ Studierendenbewegung in Westdeutschland


Ein Tomatenwurf von Sigrid Rüger auf dem SDS-Kongress 1968 in Frankfurt gilt als Geburtsstunde der neuen Frauenbewegung.

Themen: Abschaffung des §218 (Schwangerschaftsabbruch), Gewalt gegen Frauen, Selbstbestimmung, Reform des Ehe und Familienrechts

Organisationsformen: verschiedene autonome Frauengruppen und Netzwerke

Verschiedene Strömungen:

  • Radikaler Feminismus, autonome Frauenbewegung (Forderung nach Transformation gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse)
  • Liberaler Feminismus (Forderung nach rechtlicher Gleichstellung)
  • Differenz- und Gleichheitsfeminismus
  • Afrodeutsche Frauenbewegung

Die neue Frauenbewegung war von einem erweiterten Verständnis von Emanzipation als Befreiung aus gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen im Alltäglichen geprägt. Ein zentraler Slogan lautete: „Das Private ist politisch“ und bezog sich auf die Politisierung der als privat bezeichneten Lebensverhältnisse (z.B. Familie, Ehe).

Die Politkwissenschaftlerinnen Ingrid Kurz-Scherf, Julia Lepperhoff und Alexandra Scheele sprechen von einem Feminismus als neuer Selbstbezeichung für eine:

                „…Bewegung des Denkens und Handelns mit dem Ziel der Überwindung von Geschlechterhierarchien und Geschlechterstereotypen im Kontext eines insgesamt an sozial-emanzipatorischen Zielen und Kriterien orientierten gesellschaftlichen Wandels“ (Kurz-Scherf/Lepperhoff/Scheele 2009: 16)

In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gibt es nach 1949 ebenfalls eine Frauenbewegung. In den 1980er Jahren Frauengruppen, vor allem unter dem Dach der evangelischen Kirche.

Unter der dritten Welle werden verschiedene aktuelle feministische Strömungen subsumiert. Es ist allerdings umstritten, ob wirklich von einer dritten Welle gesprochen werden kann. Feminist*innen organisieren sich seit Ende 20. Jahrhundert wieder sichtbarer in verschiedenen Gruppen gegen anhaltende und wieder verstärkt auftretenden (Hetero-)Sexismus.

Schon in der frühen und vor allem in der neuen deutschen Frauenbewegung gab es viele inner-feministische Kritiken, die auf Unterschiede zwischen Frauen hingewiesen haben. Sie thematisierten, dass Frauen auch von anderen Herrschaftsverhältnissen, wie Rassismus, Klassismus, Antisemitismus oder Abelism betroffen sind. Dieses Thema ist unter dem Schlagwort Intersektionalität ein zentrales Thema aktueller Feminism.

Beispiele: #metoo, #aufschrei, #ausnahmslos, Women in Exile, Frauenstreik, pinkstinks

Die Einteilung in Wellen des Feminismus erlaubt es einen groben Überblick über verschiedene Etappen feministischer Kämpfe zu gewinnen. Gleichzeitig können damit nicht alle feministischen Aktionen und Kämpfe abgebildet werden. Feminismus bestand und besteht zu allen Zeiten und an allen Orten aus verschiedenen Strömungen, die einzelnen Wellen überschneiden sich und sind intern mitunter divers.

Der 8. März: Frauenkampftag

Am 8. März findet jährlich der Weltfrauentag, auch Frauenkampftag statt.

Die Idee dazu stammt von der Frauenorganisation der Sozialistischen Partei Amerikas (SPA), diese reif am 19. Dezember 1908 erstmals einen “Frauentag“ ins Leben. Er fand Ende Februar 1909 statt.

Clara Zetkin beantrage 1910 auf der zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz die Einführung eines internationalen Frauentags. Dieser findet in Deutschland 1911 das erste Mal statt. Zentrales Ziel war die Agitation für das Frauenwahlrecht.

Seit 2019 ist der 8. März im Bundesland Berlin ein Feiertag.

Geschafft!

Das war der letzte Lernstrang unserer OER “Was ist Gender?”. Du hast gelernt, wie sich Geschlechterungleichheiten über die Jahrhunderte verändert haben und welche Ungleichheiten bis heute bestehen (Lernstrang “Erkennen”). Außerdem hast du Analyseinstrumente aus der Geschlechterforschung kennengelernt, die dir dabei helfen zu verstehen, warum diese Ungleichheiten bis heute fortbestehen und so schwer zu verändern sind (Lernstrang “Verstehen”). Schließlich haben wir dir Möglichkeiten vorgestellt, wie in Organisationen versucht wird, Geschlechterungleichheiten abzubauen und wie soziale Bewegungen für Veränderung gekämpft haben (Lernstrang “Verändern”).

Im Glossar und der Linkliste findest weitere Literatur und Online-Ressourcen zum Thema Gender. Unter der Rubrik Material kannst du dir einzelne Erklärvideos oder Arbeitsblätter herunterladen.

Wir hoffen, du hattest viel Spaß mit unserer OER und hast Neues zu Gender erfahren! Wir freuen uns auf dein Feedback. Schreib uns gerne eine Email.