ERKENNEN: Dritte Option und Transsexuellengesetz
Seit 2019 gibt es in Deutschland offiziell ein rechtlich anerkanntes drittes Geschlecht. Dennoch kritisieren Organisationen von trans* Menschen und inter* Personen diese und andere Gesetzgebungen. Dies wollen wir uns hier genauer anschauen.
Dritte Option ("divers")
Ausgehend vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 10. Oktober 2017 wurde zum 18. Dezember 2018 das Personenstandsgesetz (PstG) geändert. Auslöser war die Klage einer inter* Person.
Es bestehen nun vier Optionen zur Erfassung des Geschlechts im Geburtenregister: männlich, weiblich, divers, keine Eintragung.
Der Beschluss des BVerfG stärkt mit diesem Beschluss das Recht auf Schutz der geschlechtlichen Selbstbestimmung:
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die geschlechtliche Identität. Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.
Selbstorganisationen von inter*Personen und trans*Menschen kritisieren jedoch den aktuellen Gesetzesentwurf. (OII Germany, Aktion Standesamt 2018). Ein Kritikpunkt besteht darin, dass für den Eintrag “divers” ein ärztliches Attest oder eine eidesstattliche Erklärung vorgelegt werden muss. Dies komme einem Zwangsouting von Kindern gleich (Aktion Standesamt 2018).
Der Kampagne “Aktion Standesamt” geht das bestehende Gesetz beispielsweise nicht weit genug. Für eine zukünftige Überarbeitung des PstG wird daher gefordert:
- Nach der Geburt bleibt der Geschlechtseintrag für alle frei.
- Wer will, kann das eigene Geschlecht selbstbestimmt eintragen lassen.
Laut Innenministerium, dürfen trans*Personen das Gesetz zur Dritten Option nicht für die Änderung ihres Geschlechtseintrags nutzen. Bisher gibt es hier eine Gesetzeslücke, die es trans*Personen erlaubt, ihren Geschlechtseintrag unkomplizierter zu ändern als über das bestehende Transsexuellengesetz (TSG).
Transsexuellengesetz (TSG)
Das Transsexuellengesetz (kurz: TSG) regelt die Änderung von Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit bei trans* Personen. Die Vornamens- und Personenstandsänderung bedarf in Deutschland eines gerichtlichen Verfahrens und muss beantragt werden. trans* Personen benötigen zwei ärztliche Gutachten, die ihnen bescheinigen, dass
- sie sich dem anderen Geschlecht als zugehörig empfinden und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehen, nicht ihren Vorstellungen entsprechend zu leben und
- bei ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich das Zugehörigkeitsempfinden zum (biologisch) anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird.
Das TSG besteht seit 1981 und ist seitdem mehrmals aufgrund des Drucks von Interessenverbänden geändert worden. Anfangs durfte der Vorname und der Personenstand erst nach operativen Eingriffen geändert werden. Außerdem mussten trans* Menschen mindestens 25 Jahre alt sein, um einen Antrag stellen zu dürfen. Die Vornamensänderung wurde lange Zeit unwirksam, wenn trans* Menschen heirateten. Verheiratete trans* Personen mussten sich vor der Namensänderung scheiden lassen.
Das aktuelle TSG trägt noch die Spuren der leidvollen Geschichte der Zwangssterilisation und Rechtfertigung von trans* Personen in sich (§8 Abs 1 TSG). Nach Paragraph 8 des Gesetzes ist die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit nur möglich, wenn trans* Personen nicht mehr fortpflanzungsfähig sind und sich entsprechend dem neuen Geschlecht haben “umoperieren” lassen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte 2011 diese Vorschrift als gesetzeswidrig. Sie darf nicht mehr angewandt werden, ist aber weiterhin Bestandteil des TSG. Bisher hat es die Bundesregierung versäumt ein neues, verfassungsgemäßes TSG vorzulegen. Hier der Paragraph 8 Absatz 1 des TSG im Wortlaut:
Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, daß sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie (…) 3. dauernd fortpflanzungsunfähig ist und 4. sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist.
Interessenverbände kritisieren die stigmatisierende Wirkung des TSG. Nach wie vor muss durch zwei Gutachten bestätigt werden, dass eine Person in einem anderen als dem ihr bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht leben möchte. Selbstbestimmt ist diese Praxis nicht und sie führt dazu, dass Betroffene oft sehr lange auf die Änderung ihres Geschlechtseintrags warten müssen.