Wie wird Behinderung definiert?
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX wird eine Behinderung und Beeinträchtigung folgendermaßen definiert:
“Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist. ” (2).
Was ist Barrierefreiheit?
2006 haben die Vereinten Nationen das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (VN-BRK) erstellt, welches 2009 von der BRD ratifiziert wurde.
Damit hat die Debatte um Menschenrechte und Barriereabbau in Deutschland neue Fahrt aufgenommen.
Wozu aber ist es wichtig, Barrierefreiheit in Bildungsthemen mitzudenken?
Dafür werfen wir einmal einen Blick auf die VN-BRK:
„Die Vertragsstaaten […]
o) in der Erwägung, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben sollen, aktiv an Entscheidungsprozessen über politische Konzepte und über Programme mitzuwirken, insbesondere wenn diese sie unmittelbar betreffen […]
v) in der Erkenntnis, wie wichtig es ist, dass Menschen mit Behinderungen vollen Zugang zu […] Bildung sowie zu Information und Kommunikation haben, damit sie alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll genießen können, […] haben Folgendes vereinbart.“
In der Begriffserklärung wird ausgeführt, was Kommunikation in diesem Übereinkommen bedeutet:
„Im Sinne dieses Übereinkommens
schließt “Kommunikation” Sprachen, Textdarstellung, Brailleschrift, taktile Kommunikation, Großdruck, leicht zugängliches Multimedia sowie schriftliche, auditive, in einfache Sprache übersetzte, durch Vorleser zugänglich gemachte sowie ergänzende und alternative Formen, Mittel und Formate der Kommunikation, einschließlich leicht zugänglicher Informations- und Kommunikationstechnologie, ein;“
Und weiter heißt es in Artikel 24 zum Thema Bildung:
„(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen […]“ (3).
Warum brauchen wir Barrierefreiheit?
Nach den Ausführungen im VN-BRK wird deutlich, dass Menschen mit geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen durch Barrierefreiheit ermöglicht wird, stärker am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
In der Open Educational Resource (kurz OER) „OER barrierefrei gestalten“ wird die Sinnhaftigkeit von Barrierefreiheit in digitalen Medien erläutert.
Neben der besseren Zugänglichkeit und Teilnahme von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigung können auch andere Personenkreise von einer barrierearmen Gestaltung profitieren, wie z. B. Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
OER und Barrierefreiheit
Der Gedanke von OER ist der freie Zugang zu Bildungsmaterialen für alle und ohne Restriktionen. Natürlich haben auch OER ihre Grenzen, es gibt schließlich bestimmte Zugangsvoraussetzungen wie z. B. im Besitz eines Laptops o. Ä. zu sein, ein bestimmtes Bildungsniveau zu haben und generell alphabetisiert zu sein. Dennoch ist es besonders bei OER wichtig mit gutem Beispiel voranzugehen und so wenig Hürden wie möglich einzubauen.
Schauen wir uns also die gängigsten Medienformate in OER an und wie wir diese möglichst barrierearm aufsetzen können:
Textdokumente/PDF
Für Textdokumente, die danach in PDF umgewandelt werden sollen, gilt vor allem eins: Formatierung, Formatierung, Formatierung!
Es kann gut mit der Formatierung des jeweiligen Textprogramms gearbeitet werden, das heißt, es sollte eine sinnvolle Strukturierung und Ordnung durch Überschriften aufgesetzt werden. Die Strukturierung hilft nicht nur den Nutzenden, sondern auch den Erstellenden, um den Überblick zu halten.
Bilder und Grafiken sollten immer mit Alternativtext bestückt werden, damit Screenreader vorlesen können, was in den Bildern zu sehen ist. Kontraste sollten berücksichtigt werden, damit das Dokument gut lesbar ist. Also z. B. keine hellgraue Schriftfarbe auf weißem Hintergrund verwenden (4). Weitere und ausführlichere Hinweise zu barrierefreien Dokumenten finden sich in dem Dokument des „agilen Netzwerks für sehbeeinträchtigte Berufstätige“.
Blogseiten
Für Verschriftlichtes auf Blogs gelten in der Regel dieselben Grundsätze wie für Textdokumente, also (5):
Übrigens: Google indiziert Text, aber kein Audio, Bild oder Video. Transkripte und Alt-Attribute helfen also bei der besseren Platzierung in Suchmaschinen. In diesem Blogartikel ist das nochmal nachzulesen.
Weitere und ausführlichere Tipps finden Sie bei dem Projekt BIK für alle.
Videos
Wie schon erwähnt, ist das Einstellen von Untertiteln bei Videos unabdingbar. Somit haben auch Menschen mit Hörbehinderung die Möglichkeit, die Videoinhalte zu verstehen.
Für Menschen mit Sehbehinderungen ist es von Vorteil, eine Audiodeskription des Videos zu erstellen, die man vielleicht auch vom Tatort aus der ARD-Mediathek kennt.
Hierbei wird auf der Tonspur Bild für Bild beschrieben, was gerade passiert.
Podcasts
Auch hier sollte es eine Struktur geben. Das bedeutet in dem Fall Kapitelmarker einzusetzen, um besser navigieren zu können.
Außerdem sollte es für Menschen mit einer Hörbehinderung auch hier wieder eine Transkription geben, die den Podcast als verschriftlichen Dialog wiedergibt.
Eine Anleitung zur Erstellung von Kapitelmarkern bei dem Anbieter Podcaster, finden Sie hier.
Für podlove gibt es hier eine Anleitung, allerdings nur auf Englisch.
Hierbei können Speech to text (STT) Programme helfen. Sehr akkurate Software kann kostspielig werden, aber ist sinnvoll, sofern Sie viel transkribieren müssen. Das Ausprobieren des kostenfreien browserbasierten Programms Speechnotes.co ergab, dass man sich mit ein wenig Übung Arbeit sparen kann, aber am Ende den gesamten Text nochmal auf eventuelle Fehler überprüfen sollte.
H5P-Elemente
Mit H5P (Abkürzung für HTML5 Package) lassen sich wunderbar barrierefreie und interaktive Lehrinhalte konzipieren. Daher eignet sich H5P bestens für die Erstellung von OER.
Da der Quellcode in H5P zudem offen ist, können Inhaltstypen von Entwickler:innen um Funktionen ergänzt oder nach den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Dies entspricht in besonderer Weise den Grundgedanken von OER.
In diesem Artikel auf lehre:digital hat Martina Schradi Impulse und wertvolle Links für den Einstieg in H5P zusammengetragen.
Oliver Tacke arbeitet gerade an einem neuen H5P-Tool, mit dem Transkripte zu Audio- und Videodateien erstellt werden können. Hier kann der Inhaltstyp ausprobiert werden und Feedback gegeben werden: https://www.olivertacke.de/labs/2022/10/25/ho-ho-ho-now-i-have-a-content-type-starting-with-t/
Barrierefreiheit in der Lehre
Wie verhält es sich mit der barrierearmen Lehre an den Hochschulen in Deutschland? Bei der Recherche für diesen Artikel wurde klar, dass viele Hochschulen in Deutschland sich bereits Gedanken zu dem Thema machen. Weiter unten finden Sie viele Handreichungen und Checklisten, die bei der Gestaltung weiterhelfen können.
Nun werfen wir noch einen Blick auf die Hamburger Hochschulen und die HAW Hamburg im Besonderen. So ist im Inklusionsplan der HAW Hamburg folgendes Zitat zu finden.
Inklusionsplan der
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Dieser Leitspruch wird im Hamburger Hochschulgesetz (kurz HHGstz §3) nochmal konkretisiert.
HHGstz §3 (8)
Die Hochschulen sind gesetzlich dazu verpflichtet darauf hinzuwirken, dass Studierende mit Behinderung in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und sie die Angebote der Hochschulen möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können.
Anregungen, wie Sie die Lehre abseits digitaler Medien möglichst barrierearm gestalten können, finden Sie in dieser Handreichung der HAW Hamburg.
In dieser Checkliste der Gleichstellungsbeauftragten können Sie herausfinden, ob Ihre Lehre und ihr Lernraum barrierearm aufgebaut sind.
Weiterführende Informationen und Quellen
[1] Poskowsky, J. et al. (2018): beeinträchtigt studieren – best2: Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung und chronischer Krankheit 2016/2017, hrsg. vom Deutschen Studentenwerk, Berlin 2018.
[3] Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen 2008
Seiten 2 ff, 18 ff
[4] Quick Guide. Barrierefreie Word-Dokumente agnes@work c/o DVBS e.V., Marburg 2022
[5] Webinhalte barrierefrei pflegen – ein Leitfaden für Online-Redakteure
BIK für Alle, Hamburg 2022
Linkliste
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Lizenzhinweis: Barrierearme Lehrmaterialien gestalten, Dorothee Wagner | HOOU@HAW, CC BY 4.0.