Eine gut erzählte Geschichte hat bestimmte Merkmale, die Sie bei der Erstellung Ihres Projekts berücksichtigen sollten. Sie sorgen dafür, dass sich die Leser:innen mit der Geschichte identifizieren können, dass die Geschichte spannend/anregend erzählt wird und dass Botschaften transportiert und gelernt werden können.

Erzählwelt, Zeitdimension, Emotionalität

Nach Marie Laure Ryan muss eine Erzählung eine Erzählwelt beinhalten, die mit Charakteren bevölkert ist und Objekte enthält – sei es eine wortwörtliche Welt wie die diktatorische Nation Panem in Tribute von Panem oder nur ein Raum, wie z.B. das Flugzeug in dem Film Flight Plan. Zudem muss diese Welt eine zeitliche Dimension aufweisen, in der ein Abenteuer geschieht (1).

Joachim Friedmann, Autor und Professor für Serial Storytelling an der Internationalen Filmschule Köln, betont zudem den hohen emotionalen Gehalt von Geschichten (im Gegensatz zu Sachtexten) (2). Dieser sorgt auch dafür dass sich Leser:innen leichter mit dem Inhalt identifizieren können, dass das Gelesene mit vorhandenen Erfahrungswelten verknüpft werden kann – Aspekte die das Lernen erleichtern.

Charaktere

Zentraler Charakter in einer Geschichte ist eine:n Held:in, eine Person, die ein Abenteuer erlebt, die sich Herausforderungen stellen muss und sich dabei selbst verändern kann. Mit dieser sollen sich die Leser:innen identifizieren – je besser dies gelingt, desto leichter kann der Inhalt gelernt werden.

In dem Roman Extrem laut und unendlich nah von Jonathan Safran Foer verliert Oskar seinen Vater bei dem Anschlag auf das World Trade Center. Oskar entdeckt dann zuhause einen Schlüssel, dessen Etui mit dem Wort „Black“ beschriftet ist, und beschließt, jeden Menschen namens Black in New York aufzusuchen, um herauszufinden, welches Schloss der Schlüssel öffnet. Dies ist der Beginn eines Abenteuers, in dem er vielen Menschen und letztlich seinem eigenen Großvater begegnet.

Gute Geschichten beinhalten weitere Rollen (z.B. einen Feind sowie eine:n Gefährt:in, die den:die Held:in auf der Reise unterstützt). Die Konzeption dieser Rollen basiert übrigens auf Carl Gustav Jung, ein Schweizer Psychiater, der diese Rollen erforscht und Archetypen genannt hat.

Kernbotschaft

Jede Geschichte hat auch einen bestimmten Grund überhaupt erzählt zu werden: Also einen Aufruf, etwas zu tun, eine Kern-Botschaft oder ein Motiv. Beim geschichtenbasierten Lernen lässt sich diese Kernbotschaft sehr gut mit der zentralen Botschaft des Lerninhalts verknüpfen.

In den Kurzgeschichten der Comic-Wissenschaftsreihe Klar soweit?! der Helmholtz Gesellschaft ist die zentrale Message klar: Die Neugierde auf wissenschaftliche Themen, die Lust auf faktenbasiertes Wissen, die Freude an der Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis unterschiedlicher Disziplinen.

Das Ende einer Geschichte ist daran zu erkennen, dass die Kernbotschaft beantwortet, das Ziel der Hauptfigur erreicht ist.

Spannungsbogen

Eine gute Geschichte hat einen Spannungsbogen bzw. schematischen Ablauf, z.B. wie bei der sogenannten Heldenreise beschrieben (nach John Campbell oder Christopher Vogler). Die schematisch aufgebaute Heldenreise wird nicht nur in erfolgreichen Hollywood-Filmen und in Romanen eingesetzt. Der:die Held:in “durchläuft” einen regelrechten Zyklus an Geschehnissen, vom Aufbruch in ein neues Abenteuer über das Bestehen von Herausforderungen bis zur Rückkehr in die alte Welt:

Damit die Form nicht wichtiger als der Inhalt wird

Bildung kann also davon profitieren, komplexe Inhalte in Form von Geschichten erzählerisch aufzubereiten. Gleichzeitig birgt die Verpackung von Inhalten in Geschichten auch die Gefahr der Vereinfachung und zu starken Emotionalisierung. Was zu beachten ist, damit die Form nicht wichtiger als der Inhalt wird, und welche Beispiele es für gelungenes Storytelling gibt, erklärt Prof. Dr. Marlis Prinzing von der Hochschule Macromedia im Interview:

Zwischen Sensation und Seriosität, https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/214904/zwischen-sensation-und-seriositaet/, CC BY-SA 3.0 DE 

Quellen und weiterführende Literatur

Quellen

Headerbild: Martina Schradi für die HOOU@HAW, auf Grundlage von Illustrationen von Pablo Stanley, https://www.humaaans.com, CC0

(1) Ryan, M.-L. (2004): Introduction. In: Dies.: Narrative across Media. The Lan- guages of Storytelling. Lincoln/London, S. 1-40. Zitiert von: Friedmann, Joachim:  Storytelling – Die Vermittlung narrativer Gestaltungsprinzipien in der Hochschullehre. https://www.th-koeln.de/mam/downloads/deutsch/hochschule/profil/lehre/artikel_friedmann.pdf

(2) Friedmann, Joachim:  Storytelling – Die Vermittlung narrativer Gestaltungsprinzipien in der Hochschullehre. https://www.th-koeln.de/mam/downloads/deutsch/hochschule/profil/lehre/artikel_friedmann.pdf

Die Texte stammen teilweise aus:

Extrem laut & unglaublich nah, de.wikipedia.org/wiki/Extrem_laut_%26_unglaublich_nah, CC-by SA 3.0

Heldenreise, https://de.wikipedia.org/wiki/Heldenreise#Der_Zyklus_der_Heldenreise_nach_Vogler, CC-by SA 3.0

Zwischen Sensation und Seriosität, https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/214904/zwischen-sensation-und-seriositaet, CC BY-SA 3.0 DE 


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Lizenzhinweis: “Storytelling: Geschichtenbasiertes Lernen in der (digitalen) Lehre – Was macht eine gute Geschichte aus?“, Martina Schradi / HOOU@HAW, CC BY SA 4.0.


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