Grobplanung

Zu Beginn eines Projekts ist sowohl den Auftrag gebenden Personen als auch dem Projektteam in der Regel noch nicht hundertprozentig klar, was die genauen Anforderungen
an das Produkt und das Projektergebnis sind. Besonders bezüglich der Durchführung und Umsetzung gibt es meist viele Fragezeichen. Wie im Kapitel Projektstart beschrieben, ist eine gründliche Auftragsklärung daher sinnvoll. Sie hilft allen Beteiligten, eine gemeinsame Sicht auf das Projekt zu entwickeln und Einigkeit herzustellen.

In klassischen Projekten ist das Ziel der Grobplanung, die Projektidee zu konkretisieren und erste Analysen in Bezug auf Projektbeteiligte und Risiken durchzuführen. Das Projekt wird in Phasen aufgegliedert und eine Organisationsform festgelegt. Diese Schritte werden im Folgenden skizziert. Im agilen Ansatz gibt es keine explizite Aussage darüber, wie zu Projektbeginn hinsichtlich Beteiligter und Risiken verfahren werden soll.

Gleichwohl sind sie meist Gegenstand eines Startworkshops, auch in agilen Projekten. Was in jedem Fall zu Beginn eines agilen Projekts gemeinsam mit Team, Product-Owner und idealerweise auch dem Auftraggebenden erstellt wird, ist eine erste Version vom Product-Backlog. Dieses Kapitel schließt mit der Beschreibung eines solchen Backlogs.

Umfeld und Stakeholder

Mit einem Projekt entsteht etwas gänzlich Neues. Das Projekt selbst beeinflusst seine Umgebung und diese wirkt wiederum auf das Projekt. Daher wird zu Beginn eines Projekts auf die jeweiligen Einflussfaktoren geschaut. Einflussfaktoren für Projekte können sowohl Menschen als auch Objekte sein. Sie können juristischer, ökologischer, politischer, wirtschaftlicher, zeitlicher oder auch ideologischer Natur sein. Zudem wird unterschieden zwischen direkten und indirekten Einflussfaktoren. Wichtig sind eine frühzeitige Erfassung und Bewertung aller Einflussfaktoren, um diese zu kennen und entsprechend handlungsfähig zu sein.

Eine Umfeldanalyse ist vor allem auf die sachlich inhaltlichen Faktoren, die Handlungsobjekte, ausgerichtet, eine Stakeholderanalyse vor allem auf die sozialen und
menschlichen Faktoren, die Handlungsträger:innen (vgl. GPM 2019, S. 950). Stakeholder sind Beteiligte, betroffene und berechtigt interessierte Personen, die Einfluss auf das Projekt nehmen können und wollen. Sie können sowohl Einzelpersonen als auch Personengruppen sein. Die Umfeld- und Stakeholderanalyse beginnt mit der Identifikation aller Einflussfaktoren mittels intuitiver Verfahren wie beispielsweise Brainstorming oder Brainwriting.

Nach einer Priorisierung der Einflussfaktoren werden diese systematisch gegliedert und bewertet. Die Stakeholder werden in Bezug auf ihre Erwartungen, ihre Macht, ihre Konfliktträchtigkeit sowie ihre Betroffenheit analysiert. Dieser Aufwand zu Beginn eines Projekts lohnt sich in jedem Fall, da darüber Befürchtungen und mögliche Außeneinflüsse von Beteiligten frühzeitig erkannt werden und entsprechende Kommunikationsstrategien entwickelt werden können.

Die Kommunikationsstrategien richten sich an der Art der Stakeholder aus. Es gibt unterschiedliche Gruppen von Stakeholdern. Promotoren sind dem Projekt gegenüber positiv eingestellt und unterstützen es häufig. Opponenten stehen dem Vorhaben eher kritisch gegenüber. Die sogenannten Hopper sind noch ambivalent, was ihre Einstellung zum Projekt betrifft. Da sie oft über relativ viel Einfluss verfügen, ist gezielte Kommunikation an dieser Stelle sinnvoll, um diese Gruppe für das Projekt zu gewinnen und für sich einzunehmen. Die letzte Gruppe sind die Skeptiker, die insgesamt wenig Interesse an dem Projekt zeigen und daher in der Kommunikation oft vernachlässigt werden. Doch auch diese müssen berücksichtigt werden, um möglichst zu vermeiden, dass sie eine kritische Haltung gegenüber dem Projekt einnehmen.

Häufig werden diese Stakeholdergruppen in einem Portfolio dargestellt, um visuell abzubilden, wie die Gesamteinstellung im Projekt ist (siehe Abb. 12). Es gibt drei Strategien der Stakeholderkommunikation (vgl. GPM 2019, S. 1605)

  1. partizipativ: Beteiligung an Entscheidungen und auch Aufgaben, transparente
    Information
  2. diskursiv: Kompromissfindung, Interessenausgleich, gezielte Information
  3. repressiv: gezielte, auch selektive Information, möglicherweise Sanktionierung
    über hierarchisch höhere Stellen.
Sowohl die Umfeld- als auch die Stakeholderanalyse muss im Projektverlauf mehrmals erfolgen, um auf Veränderungen von Einflussfaktoren eingehen zu können. Die Umfeldanalyse ist gleichzeitig auch eine Chancen- und Risikoanalyse.

Projektphasen und Projektstrukturierung

Ein klassisches Projekt besteht aus einzelnen Phasen mit bestimmten Leistungsschwerpunkten, die erfüllt sein müssen, ehe zur nächsten Phase übergegangen werden kann. Die Phasenplanung ist insofern nichts anderes, als das Projekt in zeitliche Phasen einzuteilen. Standard in der Projektwirtschaft sind mittlerweile 5-Phasenmodelle mit einer ersten Initialisierungsphase. Diese Vorprojektphase dient der Vorbereitung, sie ist Bestandteil der gedanklichen Vorwegnahme. Die Verfeinerung auf mehrere Phasen
trägt der Komplexität eines Projekts Rechnung, je komplexer ein Projekt, desto mehr Phasen gibt es.

In Bezug auf die individuellen Projektziele werden die Phasenziele aus den Ergebniszielen abgeleitet. Ein Phasenziel ist gleichzeitig ein Meilenstein, welcher der Orientierung dient und als Kontrollpunkt dafür anzusehen ist, ob das Projekt in der Form oder auch grundsätzlich weiterzuführen ist. Meilensteine werden mit MS oder MST abgekürzt und als Raute dargestellt. Sie haben keine Dauer, da sie einen Zustand beschreiben, als solcher werden sie auch beschrieben.

Ein Phasenplan liefert schnell und übersichtlich einen Überblick über den zeitlichen Verlauf des Projekts und kann gut für das Projektmarketing genutzt werden, um wichtige Stakeholder zu informieren (siehe Abb 15). Doch wie schon Publilius Syrus sagte: „Das ist ein schlechter Plan, der keine Änderungen vorsieht.“ (Römischer
Minen-Autor, in: Springer Fachmedien (Hrsg.), 2018, S. 147) So sollte sich jedes Projektteam bei aller Planung und Sorgfalt eine gewisse Flexibilität bewahren, denn Änderungen und unvorhergesehene Ereignisse gibt es in jedem Projekt.

Organisationsformen

Projekte sind temporäre Konstrukte und benötigen eigene Organisationsformen. Diese regeln, wer welche Rollen, Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen im Projekt übernimmt. Um diesbezüglich für alle Beteiligten Klarheit zu schaffen, ist eine formelle Organisation zu Beginn eines Projekts sinnvoll. Bezüglich der Organisationskultur muss unterschieden werden zwischen Linien und Projektkultur. Kuster u.a. beschreiben die Linie als Stammorganisation für routinierte, wiederkehrende Arbeitsprozesse und Abläufe. Sie sind vorgegeben und hierarchisch organisiert, Berichtswege und Entscheidungsstrukturen sind in der Regel klar. Die Projektkultur ist eher teambetont, gekennzeichnet durch simultane Zusammenarbeit und vernetzte Kommunikation (vgl. Kuster u. a. 2018, S. 128).

Weiterhin ist zu unterscheiden zwischen statischen und dynamischen Organisationsformen. Die statische Organisationsform, auch Aufbauorganisation genannt, stellt den Aufbau der Organisation grafisch in Form eines Diagramms dar. Die dynamische Organisationsform bezieht sich auf die Abläufe und Prozesse zwischen Stellen und wird daher auch Ablauforganisationsform genannt. Sie wird gern als Flussdiagramm oder Prozesslandkarte dargestellt. Für die Projektkultur gibt es im Wesentlichen drei Organisationsformen, die hier kurz dargestellt werden (vgl. GPM 2019, S. 1211ff.). Sie beziehen sich auf das klassische Projektmanagement, die agile Projektorganisation bedarf einer besonderen Organisation, auf die in Kapitel 5.1.1 eingegangen wird.

 

Die autonome Organisationsform ist eine eigenständige, reine Organisationsform in einer Hierarchielinie mit anderen Abteilungen. Die Projektleitung hat eigene Mitarbeitende, die er:sie sowohl disziplinarisch als auch fachlich verantwortet. Das Projekt ist eigenständig (siehe Abb.16).

Diese Organisationsform ist sinnvoll, wenn etwas komplett Neues entwickelt werden
soll. Von Vorteil ist, dass es keine Beeinflussung durch andere Fachabteilungen gibt und die Entscheidungswege kurz sind, da die Projektleitung die volle Befugnis hat. Nachteilig ist die oft schwierige Reintegration der Mitarbeitenden in die Linie, da alte Stellen besetzt sind und die Präferenzen von Mitarbeitenden sich verändert haben, sie möglicherweise auch nicht mehr an alte Stellen zurück möchten.

Bei der Matrixorganisation ist die Projektleitung fachlich vorgesetzt für  Projektaufgaben. Die disziplinarische Verantwortung bleibt bei den Linienvorgesetzten. Die Projektleitung hat Zugriff auf Mitarbeitende, so wie es im Projektplan verabredet wurde (siehe Abb. 17). Ca. 80 Prozent aller Projekte werden als Matrix gebildet. Bei dieser Organisationsform muss regelmäßig Kommunikation auf Führungsebene stattfinden, da das Konfliktpotenzial hier relativ hoch ist.

Die Vorteile sind effektive Ressourcenausnutzung und die Tatsache, dass Knowhow zweifach genutzt werden kann, da die Projektergebnisse in die Linienarbeit einfließen. Ein Nachteil ist, dass die Mitarbeitenden im Spannungsverhältnis  zwischen Linie und Projekt stehen. Bei schlechter Kommunikation erhöht sich das Stresspotenzial, was zu hohem Krankenstand führen kann.

Die Stablinie oder auch Einflussorganisation ist eine Projektkoordination ohne direkten Einfluss, der Titel ist daher manchmal verwirrend. Der Stab hat eher beratende, koordinierende und unterstützende Funktion und versucht insofern Einfluss zu nehmen (siehe Abb. 18). Diese Organisationsform stellt die geringste Form der Veränderung innerhalb einer Organisation dar und ist sinnvoll bei großen Projekten, wenn innerhalb der Linienorganisation zunächst nichts verändert werden soll.
 
Sie bietet ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich des Personaleinsatzes, birgt
aber auch das Risiko, dass sich niemand verantwortlich fühlt und das Projekt
keine Fahrt aufnimmt.