VERSTEHEN: Zweigeschlechtlichkeit in der Medizin
Geschlechtsangleichende Operationen
Während intersexuelle Menschen bei der Geburt geschlechtlich uneindeutig sind und häufig gegen geschlechtsangleichende Operationen kämpfen, fühlen sich Transpersonen nicht wohl in dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, und kämpfen oft rechtlich für ihre Operationen.
Im medizinischen Bereich wird die Norm der Zweigeschlechtlichkeit bis heute mit Operationen an “uneindeutigen” Babies durchgesetzt. Babies, die bei der Geburt nicht klar als Mann oder Frau erkennbar sind, werden auch in Deutschland häufig umoperiert. Sie werden zu einer Frau oder einem Mann gemacht. Einer aktuellen Studie zufolge wurden zwischen 2005 und 2014 jedes Jahr in Deutschland etwa 1.700 Babies geschlechtsangleichenden Operationen unterzogen (Klöppel, 2016).
Bis 2013 bestand in Deutschland eine gesetzliche Pflicht zur Vereindeutigung von Babies. Nach langen Kämpfen von Interessensverbänden intersexueller Menschen wurde 2013 das Personenstandsgesetz geändert. Jetzt gilt: Ist das Geschlecht eines Kindes bei der Geburt nicht eindeutig, wird auch kein Geschlecht ins Geburtenregister eingetragen. Damit sollen geschlechtsangleichende Operationen, unter denen viele Menschen später leiden, verhindert werden. Die Änderung des Personenstandsgesetzes war ein wichtiger, wenngleich nicht letztendlicher Schritt für die Anerkennung von intersexuellen Menschen in Deutschland und so gibt es viele Kontroversen um das Thema Intersexualität. Eine unabhängige Expert_innenkommission im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt daher ein gesetzliches Verbot von geschlechtszuweisenden und verändernden Eingriffen (Antidiskriminierungsstelle, 2015: 28).
Das Transsexuellengesetz (TSG) regelt die Möglichkeiten von Namensänderungen und geschlechtsangleichenden Operationen für trans* Personen. Bis 2011 hatte beispielsweise eine Person, die bei der Geburt als Mann eingeordnet wurde, sich selbst aber als Frau verstand und als solche anerkannt werden wollte, rechtlich zwei Möglichkeiten. Sie konnte die kleine Lösung (§1 TSG) wählen und nur ihren Vornamen ändern. Wollte sie jedoch in ihrem Pass als Frau eingetragen werden, wählte sie also die große Lösung (§8 I TSG), musste sie zwei Dinge tun. Erstens, ihre als männlich definierten Geschlechtsmerkmale operativ umwandeln lassen. Zweitens, musste ihre Fortpflanzungsfähigkeit operativ entfernt werden, das heißt, sie musste sich sterilisieren lassen.
Im Jahr 2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Regelung für verfassungswidrig (BverfG, 2011). Für die Änderung der Geschlechtsangabe ist keine Operation mehr nötig. Dennoch müssen trans* Personen zwei ärztliche Gutachten verbunden mit mehreren Sitzungen einholen, die belegen, dass der Wunsch nach einer Geschlechtsangleichung dauerhaft besteht. Erst dann können sie eine Änderung des Geschlechtseintrags vornehmen lassen (Selbsthilfeorganisation Trans-Ident e.V.).
Auch im Fall von trans* Personen fordert die unabhängige Expert_innenkommission eine Abschaffung von Sonderregelungen, speziell die Abschaffung des Transsexuellengesetzes und die Einrichtung eines Entschädigungsfonds (Antidiskriminierungsstelle, 2015: 29).
Mehr Informationen zu den Themen trans* und inter* finden sich bei triq e.V. und beim Bundesverband Trans.