Ableismus

Bild und Ton

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In dem Memory sind Fotos von Menschen zu sehen. Bei einem Match erscheint ein Text, der einen kurzen Einblick in  das Leben der Person mit Behinderung gibt. Solche bestärkenden und vielfältigen Bilder und Geschichten über Menschen mit Behinderungen sehen wir (noch) viel zu selten. Diese Bilder und Texte sind von der Fotobilddatenbank gesellschaftsbilder.de. Gesellschaftsbilder.de ist ein Projekt von dem Berliner Verein SOZIALHELDEN e.V. Das Ziel des Projektes ist es, klischeefreie Bilder zur redaktionellen Nutzung zur Verfügung zu stellen. 

 

Die mediale Darstellung von Menschen mit Behinderungen sieht jedoch oft ganz anders aus. Die Darstellungen sind häufig stereotyp.

 

 

 

 

Stereotype Darstellungen
von Menschen mit Behinderungen

Nicht normkonforme Gliedmaßen als Gruselfaktor?!​

Was sind "beeinträchtigte Gliedmaßen"?

Wir haben uns entschieden im folgenden Text „beeinträchtigte Gliedmaßen“ zu schreiben. Damit meinen wir Hände und Füße, die nicht fünf Finger oder Zehen haben. Wir nutzen diese Umschreibung, da wir den gängigen Begriff „Gliedmaßenfehlbildung“ als problematisch einordnen. „Gliedmaßenfehlbildung“ stellt die „Fehlerhaftigkeit“ der Gliedmaßen in den Vordergrund und bestärkt zugleich die Normvorstellung, dass nur Hände und Füße mit fünf Fingern und Zehen normal seien. Ein (offizieller) Alternativbegriff ist uns im Deutschen nicht bekannt. Im Englischen gibt es die Bezeichnung „Limb Difference“. Das Englische Wort „Difference“, also Unterschied, beinhaltet noch weniger Bewertung und gewinnt deshalb auch im deutschsprachigen Raum an Beliebtheit.

Screenshot des Hashtags Not A Witch
Screenshot des Insta-Hashtags "Not A Witch"

In dem Kinderfilm „Hexen hexen“ (Originaltitel: „The Witches“, 2020) geht es um böse Hexen. Die Hexen verfolgen das Ziel alle Kinder zu beseitigen, indem sie diese in Mäuse verwandeln. Die Großmeister(in)hexe, gespielt von Anne Hathaway, und andere Charaktere haben an jeder Hand drei Finger und einen Zeh pro Fuß. Anscheinend sollten die Hexen auf diese Weise grotesker, gruseliger und angsteinflößender wirken.

Unter dem Hashtag #NotAWitch (deutsch: Keine Hexe) wurde kurz nach Veröffentlichung von dem Film Kritik und Widerstand in sozialen Netzwerken sichtbar. Die limb difference-Community zeigten sich verletzt. Menschen aus der Community problematisierten die unbewusste und schädliche Botschaft von dem Film: Der Film bringe ihre Behinderung mit monströsen, bösen Hexen in Verbindung. Sie kritisierten, dass in dem Film Menschen mit beeinträchtigten Gliedmaßen als Kreaturen voller Übel, Terror, Angst und als Abnormalität dargestellt und so herabgewürdigt würden. Zahlreiche Menschen berichteten unter dem Hashtag von ihrer Kindheit, der Herausforderung sich selbst lieben zu lernen, Repräsentation und dem Einfluss der Medien. 

Mehr dazu in dem Artikel von René Schaar 

 

Darstellung entweder als Opfer oder als Held:in​
Photo by Susan Yin on Unsplash

Dass die Darstellung von Menschen mit Behinderung häufig stereotyp ist, zeigt auch die Studie „Das Bild von Menschen mit Behinderungen in den Medien“ des Grimme-Instituts.

Aus der Studie geht hervor: Menschen mit Behinderungen werden oft 

entweder 

als Opfer oder 

als Held:innen dargestellt. 

In Zahlen bedeutet dies für Printmedien im Allgemeinen in Österreich, dass 58 Prozent der Menschen mit Behinderungen neutral dargestellt werden, 42 Prozent von den Darstellungen lassen sich in eine der beiden klischeehaften Darstellungsformen, als „Opfer“ oder „Held:in“ einordnen.

„Opfer“ meint in dieser Studie eine klischeehafte und von Mitleid geprägte Inszenierung. Also zum Beispiel, wenn im Fokus der Darstellung die Beeinträchtigung, unter der die betreffende Person mutmaßlich „leidet“ steht.  Die Beeinträchtigung und die Hilfsmittel, welche die betreffende Person nutzt, werden als einschränkend und belastend charakterisiert. (Vielen Menschen ermöglicht der Rollstuhl jedoch Selbständigkeit, Autonomie und Freiheit!)

Held:in meint in dieser Studie eine stark leistungsbezogene und bewundernde Inszenierung. Häufig wird z.B. erzählt, wie eine Person „trotz der Beeinträchtigung“ ihr Leben meistert. (Vgl. Studie, S.41)

 

Hinweis: Der Link zu der Studie von media affairs ist derzeit fehlerhaft. Hier findest sich eine Zusammenfassung der Studie von Leidmedien.

"Death Porn"​

Zusätzlich zu den Opfer- und Held:innen-Erzählungen ist der sogenannte „Death Porn“ vor allem im Film ein wiederholtes Narrativ (Erzählung), wenn Menschen mit Behinderung dargestellt werden. „Death Porn“ (deutsch: Todes-Porno) beschreibt: Bekommt ein Mensch in der filmischen Erzählung eine Behinderung, z.B. durch einen Unfall oder eine Krankheit, so ist im Drehbuch oft der größte Wunsch der Person zu sterben. Dabei gehe es bei jener filmischen Inszenierung meist um eine Metapher der Erlösung. Nicht-behinderte Regisseur:innen und Drehbuchautor:innen schreiben immer wieder die Geschichte, dass die Person mit Behinderung (die angeblich so leidet) nur durch Heilung wieder glücklich werden könne. Zum Beispiel in Form von Therapien, Medikamenten oder Technologien. Oder durch den Tod. Und der Tod sei dann die Erlösung vom eigenen Leid und von dem Leid des Umfelds. Dies leidet auch angeblich unter der eingetretenen Behinderung, dass sich z.B: deine Eltern aufopferungsvoll um dich kümmern oder dein:e Partner:in oder die Gesellschaft. 

Mehr dazu in der Podcast-Folge „Behinderung im Film“ bei „Die Neue Norm“ mit Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raúl Krauthausen.

 

Wie wir anhand der letzten drei Artikel sehen, ist die Darstellungen von Menschen mit Behinderungen in Medien sehr problematisch. Dies widerspricht den UN-Behindertenrechtskonvention, in der es heißt: Menschen mit Behinderungen sollen würdevoll, als gleichberechtigte Bürger:innen und in ihrer Vielfalt dargestellt werden. Medienschaffende sind aufgefordert aktiv und reflektiert zur Bewusstseinsbildung im Sinne eines an Menschenrechten orientierten Bildes und zum Abbau von Barrieren (auch in Form von Vorurteilen) gegenüber Menschen, die mit einer Behinderung leben, beizutragen.  (Vgl. StudieS.42)

Repräsentation von
Menschen mit Behinderungen
im Film

Preisverleihung und Tyrion-Test

Photo by Jordon Conner on Unsplash

„Wenn nicht-behinderte Schauspieler:innen vermeintlich authentisch Behinderungen spielen regnet es Preise.“ „In der ganzen Oscar-Szene machte es sich immer gut, wenn jemand einen Menschen mit Behinderung spielt. […] Aber: Wo sind
eigentlich die Schauspieler:innen mit Behinderung?“ Unter Schauspielstudierenden wird gesagt: W
enn du einen Preis gewinnen willst, dann spiele einen Behinderten. „Doch sehr selten wird dann die Frage gestellt: Wie authentisch ist das eigentlich? Und: Wie repräsentativ ist das für Menschen mit Behinderung?“, sagt Raúl Krauthausen in der Podcastfolge #9 Behinderung im Film von Die neue Norm. 

In dem Artikel

 

 

 

Mehr Artikel zum Thema Behinderung und Film

In diesem Video wird die Serie „Game of Thrones“ hinsichtlich der Repräsentation von Frauen, BPoC und Menschen mit Behinderung analysiert. Analysiert wird u.a. auf der Grundlage von dem Bechdel-Test und dem Tyrion-Test. In dem Video wird anhand von Einspielern aus der Serie erklärt: Die Repräsentation von Frauen ist teils problematisch, ebenso wie die kaum vorhandene (und stereotypisiernde) Darstellungen von BPoC. Zugleich ist die Serie wegweisend in der Repräsentation von Menschen mit Behinderung. Der Charakter Tyrion Lannister, gespielt von Peter Dinklage, gilt als eine gelungene Repräsentation von Menschen mit Behinderung im Film. Der Name des Charakters wurde so zum Namensgeber des Tyrion-Test geworden.

 

Angelehnt an den Bechdel-Test hat der US-amerikanische Autor und Aktivist Andrew Pulrang den Tyrion-Test entwickelt. Die Wissenschaftlerin Dr. Anna Voigt hat festgestellt, dass durch die Kameraführung in Game of Thrones, Tyrion Lannister auf Augenhöhe mit den Charakter:innen agiert. So wird  seine Kleinwüchsigkeit technisch nicht in den Vordergrund gestellt.

Teste einen Film!

Der Tyrion-Test (auch DisRep-Test genannt) erfasst, wie und auf welche Art und Weise Menschen mit Behinderung in Film und Fernsehen dargestellt werden.

Die App GRETA macht Audiodeskriptionen vom eigenen Smartphone zugänglich. Die App funktioniert in jedem Kino, in jedem Saal, zu jeder gewünschten Vorstellung. Damit kann Kino für Menschen mit Sehbeeinträchtigung eigenständig und unabhängig erlebbar werden. 

Emanzipatorsisches Handeln

Wir berichten selbst

„Wir beobachten, dass ganz oft über behinderte Menschen geschrieben und gesprochen wird, aber selten mit ihnen, selten von ihnen.“

Raul Krauthausen in dem Video „[taz] mit Behinderung: Making of“

Video abspielen

In Beiträgen und Interviews werden Menschen, die mit einer Behinderung leben, zumeist und ausschließlich zu ihrer Beeinträchtigung befragt und treten selten in Formaten auf, die das Themenfeld des Behindert-Seins bzw. -Werdens überschreiten. In diesem Video wird das Projekt „[taz] mit Behinderung“ vorgestellt. Im Rahmen des Projektes wurde 2018 eine taz-Ausgabe herausgebracht, die ausschließlich von Menschen mit Behinderung veröffentlicht wurde.

Gegenästhetik

Das Crip Magazine als Bespiel
für eine visuelle und inhaltliche Gegenästhetik
zu stereotypisiernden Bildern

Das Crip Magazine (engl. Seite) setzt den allgegenwärtigen stereotypisierenden Medienbildern von Menschen mit Behinderungen eine Gegenästhetik durch visuellen Aktivismus und Crip-Materialien entgegen.

 

Das Crip Magazine ist ein selbstorganisiertes Zeitschriftenprojekt. Das Magazin versteht sich als Kunstprojekt und „Archiv“ von Materialien zu Crip-Themen, Kunst- und Kulturproduktion. Die Beiträge werden zu einem Großteil von Künstler:innen mit Behinderung erstellt. So eröffnet das Magazin selbstbestimmte, empowernde Perspektiven auf behinderte Körper, deren Darstellungen und Realitäten.

Themen sind z.B. Schmerz, eine transformative Perspektive auf Körperlichkeiten und körperliche-soziale Beziehungen. Die Inhalte beziehen sich auf historische Kämpfe, sowie die Geschichte der Behindertenrechtsbewegungen. Das Projekt wurde 2012 von der Künstlerin Eva Egermann gegründet.

 

 

Der Titel Crip Magazin bezieht sich auf die Crip-Theory, ein Diskurs- und Theoriekonzept das aus den Disability Studies hervorgegangen ist. Die Theoretiker*innen der Crip-Theory streben die Erfahrungen, Wünsche und Begehren von queeren und behinderten Personen sichtbar zu machen – und das weit über den akademischen Bereich hinaus. Zudem fordern sie zunehmende Sichtbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz von queeren Menschen mit Behinderung ein.

 

Der Begriff „Crip“ (auf Deutsch: „Krüppel“) ist ein Wort, das in der Vergangenheit eine abwertende Bezeichnung gegenüber Menschen mit Behinderungen war. „Crip“ oder „Krüppel“ nutzen betroffene Menschen mittlerweile als  Selbstbezeichnung. Ähnlich wie der Begriff „Queer“ oder „Kanacke“ wird durch Betroffene ein Wort, das einst eine Beschimpfung war, durch emanzipatorische Aneignung neu positiv besetzt. Als nicht betroffene Person solltest du diese Begriffe nicht bzw. nur sensibel und informiert verwenden!

Schaue dir auf der Website von dem Crip Magazine die Ausgaben online an oder lade sie dir kostenfrei als pdf herunter. 

Was kann ich als
Medienschaffene:r beachten?

Als Medienschaffende:r kannst du dazu beitragen die gesellschaftliche Vorstellung von Normalität und Behinderung zu verändern. Um eine falsche und klischeehafte Darstellung zu erkennen, zu verhindern und eine angemessene Repräsentation zu fördern, solltest du auf Folgendes achten:

In Berichten und Beiträgen über Behinderung und Inklusion, sollte primär nicht über, sondern mit und durch Menschen mit einer Beeinträchtigung gesprochen werden. Gleichzeitig können Menschen mit Behinderung auch Expert:innen in Bezug auf völlig andere Themenfelder sein.

Es sollte darauf geachtet werden, Menschen mit Behinderung nicht als eine homogene, geschlechtsneutrale Gruppe darzustellen. Die Perspektive von Frauen, die mit einer Beeinträchtigung leben, ist vermutlich eine andere als die von Männern.

Menschen, die mit einer Behinderung leben, leiden nicht zwangsläufig unter dieser. Ob bzw. in welcher Situation eine Person ihre Beeinträchtigung als Belastung empfindet, weiß sie selbst am Besten. Entsprechend sollte darauf geachtet werden, keine voreingenommenen Opfer- bzw. Held:innengeschichten zu schreiben. Es ist zu empfehlen, eine Beeinträchtigung entsprechend der Wahrnehmung der betroffenen Person zu thematisieren.

Ebenso kannst du zeigen, dass verschieden zu sein etwas völlig Normales ist. Du könntest z.B. eine Rolle mit einer Person besetzen, die mit einer Beeinträchtigung lebt ohne, dass die Behinderung zentraler Aspekt der Figur ist.

Weiter zu den Kurztipps:  

Hier gibt es alle Tipps in komprimierter Form.