Rassismus

Sprache

Berichterstattung und Stereotype

„Wenn eine Frau vergewaltigt, eine Bank überfallen oder eine Handtasche gestohlen wurde – wie wichtig ist es dann zu wissen, ob der Täter Deutscher, Afghane oder Koreaner war?“

Zitat: Silke Ballweg für den Deutschlandfunk

Im Pressekodex warnt der Presserat davor, bei der Berichterstattung über Straftaten, die Zugehörigkeit oder Herkunft von Tatverdächtigen hervorzuheben. Denn: Dadurch werden möglicherweise Vorurteile geschürt und Stereotype gefestigt.

„Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“

Zitat: Pressekodex des Presserats, Ziffer 12

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Sofern ein „begründetes öffentliches Interesse“ besteht, dürfen Redaktionen die Zugehörigkeiten von Tatverdächtigen und Täter:innen offenlegen. Schwere oder außergewöhnliche Straftaten (wie z.B. Terrorismus) oder Straftaten ausgehend von einer größeren Gruppe (z.B. Kölner Silversternacht 2015/ 2016) zählen beispielsweise zu den Ausnahmen vom o.g. Kodex (Praxis-Leitsätze zu Richtlinie 12.1 des Pressekodex). Gleichzeitig wird davor gewarnt, durch die Nennung von Gruppenzugehörigkeiten in Überschriften oder stereotypen Bezeichnungen abwertende Darstellungen und Vorurteile zu verfestigen.

Kritiker:innen des aktuellen Pressekodex betonen, dass die Formulierung „begründetes öffentliches Interesse“ zu schwammig sei und damit vorurteilsbehafteter Berichterstattung keine wirklichen Grenzen gesetzt würden.


Eine Studie von Ricarda Drüeke im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung zur
Berichterstattung über die Ereignisse in der Silvesternacht 2015/16 in
Köln zeigt, wie wirkmächtig Medien sein können. „Medien haben
einen entscheidenden Einfluss darauf, welche Themen Alltagsgespräche
beherrschen und innerhalb welcher Rahmungen diese Themen verhandelt
werden, also wie darüber gesprochen wird
“ (Drüeke, S. 6). Die ganze Studie findest du hier


Medienschaffende Person können mit ihrer Arbeit dazu beitragen, über Diskriminierung und Ausgrenzung aufzuklären, Benachteiligungen entgegenzuwirken und Vorurteile abzubauen. Die Gestaltung der Medien kann jedoch auch das Gegenteil bewirken. Es liegt deshalb in der Verantwortung jeder medienschaffenden Person, sich über die Formen und Auswirkungen von Diskriminierungen weiterzubilden. Sich zu fragen: „Wen stelle ich wie da – und warum?“ kann helfen, vorurteilsbehaftete Denkmuster und Bilder in der eigenen Arbeit zu erkennen und abzubauen.

Rassismussensible Sprache

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CC-Lizenz: BY-ND

Lizenz: CC BY-ND Namensnennung, keine Bearbeitung; Video von: Team Diversify! für Diversify! Webseite für diversitätsbewusste Mediengestaltung

Videoaufnahme: August 2018

„Das Kernanliegen ist tatsächlich, dass wir uns für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen: Sei es personell, sei es thematisch. Und das machen wir eben dadurch, dass wir drauf hinweisen, dass es in einer Einwanderungsgesellschaft drauf ankommt, dass man präzise formuliert“ sagt Joanna Stolarek.

Joanna Stolarek ist Büroleitung bei der Heinrich-Böll-Stiftung Warschau und hat bei den Neuen Deutschen Medienmacher:innen gearbeitet. In diesem Interview spricht sie über die Arbeit und die Projekte bei den Neuen Deutschen Medienmacher:innen und gibt Beispiele für rassismussensible Sprache.

Shownotes

Begriffe reflektieren

Photo by Sigmund on Unsplash

Rassistischer Sprachgebrauch und das unreflektierte Verwenden von Begriffen, die Vorurteile bekräftigen, sind nicht nur in der Berichterstattungen über Straftaten ein Problem. Straßen deutscher Städte sind nach Kolonialherren benannt, rassistische Formulierungen sind allgegenwärtig: in Kinderbüchernin Schulbüchern, in Musik, in Filmen und in der Werbung. So ist rassistisches Wissen Teil des Alltags und wird bereits in der Schulzeit vermittelt. Im Erwachsenenalter werden rassistische Wörter und Denkmuster deshalb meist nicht als diskriminierend erkannt. Doch viele Begriffe, die wir ganz selbstverständlich nutzen, haben einen abwertenden Ursprung und wurden historisch zur gezielten Unterdrückung und Marginalisierung von Menschen verwendet.


Rassistische Sprache trägt bis heute dazu bei, Ungleichbehandlungen und Gewalt zu normalisieren, zu verharmlosen und zu rechtfertigen. Mohamed Amjahid – Autor der Bücher „Unter Weißen“ und „Der weiße Fleck“ – spricht in diesem Interview über die Auswirkungen von rassistischer Sprache und wie er Rassismus in Deutschland erlebt.

Sich über die Herkunft und Bedeutung von Begriffen bewusst zu werden, Sprache aktiv zu dekonstruieren und Wörter sensibel einzusetzen ist ein wichtiger Bestandteil diversitätsbewusster Mediengestaltung.


  1. Dass rassistischer Sprachgebrauch auch verlernt werden kann, zeigt Professorin Teresa Koloma Beck der Helmut Schmidt Universität in ihrem Interview mit dem WDR auf.



Übung: Sollte ich diese Begriffe nutzen?

Teste selbst, ob du weißt, woher die folgenden Begriffe kommen und was sie bedeuten. Der Test macht auch deutlich, wie Kolonialgeschichte und NS-Zeit unseren Sprachgebrauch bis heute prägen. 

Beantworte die Fragen mit ja, wenn du meinst, dass der Begriff genutzt werden sollte, mit nein, wenn du meinst, dass dieser Begriff nicht genutzt werden sollten oder mit eingeschränkt, wenn du davon ausgehst, dass dieser Begriff nur unter bestimmten Voraussetzungen genutzt werden sollte.

Unter Strategien- Sensibilisierung- Sprache kannst du mehr darüber erfahren, wie sprachliche Kategorien unsere Wahrnehmungen von Menschen beeinflussen. Es wird erklärt, wie gesellschaftliche Machtverhältnisse durch Sprache geformt und gefestigt werden. Aber es wird auch deutlich: Sprachgebrauch ist wandelbar und kann zu positiven Veränderungen beitragen.

In diesen Glossaren und  Lexika werden Begriffe einfach erklärt:

Sensibilisierung
in der Medienarbeit

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CC-Lizenz: BY-ND

Lizenz: CC BY-ND Namensnennung, keine Bearbeitung; Video von: Team Diversify! für Diversify! Webseite für diversitätsbewusste Mediengestaltung

Videoaufnahme: Januar 2019

„Und dann habe ich sie [stellvertretende Chefredakteurin] gefragt: Wie müssen wir denn mit rassistischer Sprache umgehen, wenn Sie von „Farbigen“ und „Exotischen“ Menschen und vielleicht sogar vom N-Wort sprechen? Und dann spricht sie das Wort auch noch vor mir aus. Und fragt so: „Aber das Wort existiert doch?!“, berichtet Poliana Baumgarten.

Poliana Baumgarten ist Videografin und Filmemacherin. Bei dem oben zitierten rassistischen Vorfall, steht sie mit ihrer Reaktion zwischen der Entscheidung: Ausrasten oder „policen“ (zurechtweisen). Beides sind jedoch Strategien die abermals in stereotypisierende Bilder Schwarzer Frauen und Woman of Color („Black Angry Woman“) passen. In diesem Interview thematisiert sie so anschaulich die Notwendigkeit von Sensibilität und Verbündeten im Arbeitsumfeld. So können Koleg:innen unterstützen, wenn es eine Konfrontation mit Rassismus gibt.

Weiter zu Bild und Ton: 

Hier wird deutlich, wie Rassismus auf der bildlichen Ebene manifestiert ist. Erfahre, wie sich diskriminierungssensible Medien schaffen lassen.