Sexismus

Sprache

Geschlechtergerechte
Formulierungen

„Männer tendieren dazu, eher hochdotierte 

Berufe zu ergreifen, 

wie z.B. 

Arzt, 

Ingenieur, 

Abteilungsleiter etc.

Frauen hingegen ergreifen eher schlecht bezahlte Berufe, 

wie z.B. 

Ärztin, 

Ingenieurin, Abteilungsleiterin etc.“

Derya Türk-Nachbaur, Politiker:in

Geschlechtergerechte Formulierungen sind ein umstrittenes Thema. Die einen kritisieren, dass männliche Formulierungen die Geschlechtervielfalt unsichtbar machen. Andere äußern, dass durch geschlechtergerechte Sprache Texte unlesbar und unverständlich werden. Gleichzeitig ist eine präzise Benennung von Geschlecht in der Sprache wichtig, wie das Zitat der deutschen Politikerin Derya Türk-Nachbaur ironisch zeigt.

Was bei der stark polarisierten Debatte um geschlechtergerechte Sprache häufig untergeht, sind die Gründe, warum geschlechtergerechtes Sprechen und Schreiben wichtig sind. Es geht um die Sichtbarkeit von Geschlechtervielfalt, um Gefühle von Zugehörigkeit beispielsweise zu einem bisher männlich wahrgenommenen Berufsstand, einem Verein, einem Parlament etc. oder um die Thematisierung von Geschlechterungleichheiten.

Eine Schwarze junge Frau, die im Schneidersitz auf einem Sofa vor einem riesen Bücherregal sitzt. Sie ist vertieft in ein Buch, was sie in ihren beiden Händen aufgeschlagen hat.
Photo by Seven Shooter on Unsplash

Zwei Strategien
für geschlechtergerechte Formulierungen

Grob gesagt, lassen sich zwei Strategien zum Umgang mit geschlechtergerechten Formulierungen unterscheiden: die Neutralisierung von Geschlecht und das Sichtbarmachen von Geschlechtervielfalt. Diese können unterschiedlich umgesetzt werden und haben verschiedene Wirkungen, derer du dir bewusst sein solltest.

Neutralisieren von Geschlecht

Ansprachen und Benennungen von Personen werden ohne eine Vergeschlechtlichung am Wortende benutzt.

– Mitarbeitende, Studierende, Medienschaffende, Angestellte: Diese grammatikalische Form wird „substantiviertes Partizip“ genannt. Sie ist nur im Plural neutral.

– Hochschulangehörige, Angehörige: Dies sind neutrale Pluralformen.

– Verwaltungspersonal, Fachkräfte: Dies sind Wortzusammensetzungen.

– Neutralisierende Formulierungen lassen sich einfach und flüssig aussprechen.

– Der Text bleibt kurz. Dies ist besonders für enge räumliche Vorgaben nützlich, z.B. in kurzen Zeitungsbeiträgen, Untertiteln, Audiobeiträgen oder im Voice Over.

– Die Neutralisierung ist universell einsetzbar und ist inzwischen weit verbreitet.

– Es werden Merkmale betont, die Personen unanhängig von ihrem Geschlecht verbinden, zum Beispiel, dass sie studieren, einer Hochschule angehören oder einer Lehrtätigkeit nachgehen.

– Die Neutralisierung meint alle geschlechtlichen Identitäten gleichermaßen. Es entsteht kein Ausschluss, allerdings auch keine explizite Ansprache und Ermutigung.

– Neutralisierende Formulierungen lassen sich einfach und flüssig aussprechen.

– Im Unterschied zu einer Reihung verschiedener Geschlechtsbezeichnungen bleibt der Text kurz. Dies ist vor allem dort von Vorteil, wo besonders enge räumliche oder zeitliche Vorgaben existieren, z.B. in Tageszeitungen, wissenschaftlichen Beiträgen, Untertiteln, Audiobeiträgen oder im Voice Over.

– Die Neutralisierung bringt bisweilen sperrige Wortkonstruktionen hervor (z.B. zu Fuß Gehende statt Fußgänger:innen). Dies passiert jedoch sehr selten.

Geschlechterdiskriminierung wird unsichtbar gemacht. Denn: wenn nicht sprachlich zwischen Geschlechtern unterscheiden wird, wird eine ungleiche Behandlung oder Repräsentation nicht sichtbar.

Beispiel: Wenn die Gesamtheit der an einer Hochschule studierenden Personen gemeint ist, lässt sich von „Studierenden“ sprechen: Die HAW Hamburg gehört mit rund 17.000 Studierenden zu den größten Hochschulen der Hansestadt. Wenn es darum geht, Ungleichheiten sichtbar(er) zu machen, sollten hingegen differenzierte Formulierungen verwendet werden: An der Fakultät Informatik studieren 5.275 Studenten (entspricht ca. 87,5%) und 758 Studentinnen (entspricht ca. 12,5%).

Sichtbarmachung von Geschlechtervielfalt

Es werden unterschiedliche Mittel eingesetzt, um die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten sichtbarzumachen.

Varianten, die über zwei Geschlechter hinaus weisen:

Verwendung grafischer Zeichen, wie

dem Gender Stern (*)

dem Unterstrich (_)

oder dem Doppelpunkt (:)

Verwendung alternativer Wortendungen, wie -x

Beispiele: Mitarbeiter*innen, Mitarbeiter_innen, trans*, Mitarbeiter:innen, Mitarbeitix

Zweigeschlechtliche Varianten:

– Beidschreibung: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

– Binnen-I: MitarbeiterInnen

– Schrägstrich: Mitarbeiter/innen

– in Klammern: Mitarbeiter(innen)

Zweigeschlechtlich: Beidschreibung, Schrägstrich und Klammer

Die Beidschreibung, also die Verwendung der weiblichen und männlichen Form, ist inzwischen ebenso verbreitet wie die neutralen Formulierungen im letzten Absatz und hat einen messbaren Effekt. Allerdings wirkt sie gerade bei längeren Aufzählungen oft umständlich, weshalb der Duden auch die verkürzte Schreibweise empfiehlt.

Geschlechtervielfalt: Gender-Stern, Unterstrich und Doppelpunkt

Alle drei Varianten werden häufig als kleine Pause gesprochen, wodurch sich die Aussprache nicht signifikant verlängert. Es ist jedoch genaues Hinhören gefragt.

Der Gender-Stern wird manchmal auch als Sternchen gesprochen. Dadurch verlängert sich die Aussprache. Screenreader für sehbeeinträchtigte Personen lesen den Gender-Stern als Stern vor. Den Doppelpunkt hingegen als kurze Pause. Die Vor- und Nachteile in Bezug auf Barrierefreiheit und Irritation der Geschlechternorm werden hier diskutiert.

Geschlechtervielfalt wird sichtbar gemacht

Die Strategie ist effektiv: Studien zeigen, dass es einen Unterschied macht, ob z.B. von „Studentinnen und Studenten“ oder ausschließlich von „Studenten“ die Rede ist: Wird ein Geschlecht sprachlich weggelassen, taucht es auch in der Vorstellung der Adressierten signifikant seltener auf. Dies kann weitreichende Folgen haben, z.B. für die Arbeitswelt: Bewerberinnen fühlen sich von Stellenanzeigen nicht angesprochen, Kinder und Jugendliche entwickeln genderstereotype Berufswünsche – und verfestigen damit bereits existierende Ungleichheiten.

Varianten, wie der Gender-Stern oder der Doppelpunkt, machen außerdem deutlich, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Die Anerkennung eines dritten Geschlechtseintrags in 2018 bestätigt dies offiziell rechtlich. Diese Varianten weisen immer wieder darauf hin, dass wir Geschlecht häufig als Mann und Frau denken. Sie irritieren und wollen dies auch bewusst tun, um Selbstverständlichkeiten zu brechen und unser Denken für die Vielfalt von Geschlecht zu öffnen.

Die Beidschreibung erfordert manchen zu viel Textumfang.

Laut Duden sind der Gender-Stern und der Unterstrich orthografisch nicht korrekt. Diese Auslegung ist jedoch umstritten. Es gibt gerade im journalistischen Bereich Hürden, etwa wenn Redaktionen nur bestimmte Schreibweisen akzeptieren oder die orthografische Korrektheit über den Aspekt der Gendergerechtigkeit stellen. Wenn es argumentativ kein Fortkommen gibt, bietet es sich an, gegebenenfalls auf alternative Formulierungen zurückgreifen zu können. Statt des (vielleicht gerechteren) Gendersternchens ließe sich etwa die verkürzte Schreibweise mit Schrägstrich vorschlagen, die immerhin vom Duden empfohlen wird. Zunehmend wird auch der Doppelpunkt akzeptiert. Dieser scheint weniger zu irritieren als der Gender-Stern und daher auf größere Akzeptanz zu stoßen. Zudem ist er ein Stück barrierefreier. Gleichzeitig geht dadurch der Effekt der Irritation der Norm von Zweigeschlechtlichkeit etwas verloren.

Für viele ist auch die Aussprache der Sprachvarianten mit grafischen Zeichen ungewohnt: Das Zeichen spricht sich in der Regel als kurze Pause, unabhängig davon, ob es ein * oder ein _ ist. Damit dauert es kaum minimal länger „Professor*innen“ zu sagen als im generischen Maskulinum von „Professoren“ zu sprechen. Und, wie auch in den Schriftvarianten gilt: Die kurze Irritation ist durchaus gewollt und die Pause gibt Anlass, nicht-binäre Personen mitzudenken.

Innerhalb des Diskurses um gendergerechte Sprache äußern Kritiker*innen oft die Unlesbarkeit und Unverständlichkeit von gegenderten Texten. Ein Experiment über geschlechterbewusste Sprache von Marcus C. G. Friedrich und Elke Heise von der TU Braunschweig widerlegt dies jedoch.

Sichtbarkeit von Geschlechtervielfalt:
Gender-Stern oder Gender-Doppelpunkt:
Wie gender ich barrierearm?

Der Gender-Stern wie auch der Gender-Doppelpunkt wird zwischen das generische Maskulinum und das generische Femininum gesetzt, um Geschlechtsidentitäten jenseits des zweigeschlechtlichen Geschlechtermodells (Mann und Frau) sichtbar zu machen (Beispiel: Forscher*innen oder Forscher:innen). 

Bisweilen wird darauf verwiesen, dass der Gender-Stern nicht barrierefrei sei. Als Alternative wird die Verwendung des Gender-Doppelpunkts vorgeschlagen

Zunächst wirkt der Doppelpunkt barriereärmer, da er von vielen der Sprachausgabeprogramme für sehbeeinträchtige und blinde Menschen als kurze Pause gelesen wird. Der Gender-Stern wird hingegen häufiger als Stern vorgelesen. Das klingt dann zunächst sperriger. 

Welche Variante jedoch barriereärmer ist, hängt von der Einstellung ab, die eine Person für ihr Sprachausgabeprogramm gewählt hat. Diese sind anpassbar. Wichtig ist es, eine einheitliche Regelung zu finden. So können sehbeeinträchtige und blinde Personen ihre Sprachausgabeprogramme entsprechend einstellen. 

Im Folgenden findest du ein Argumentationspapier mit den Vor-und Nachteilen beider Varianten des Genderns, damit du dich für eine Variante entscheiden kannst.

 

Übung zum Gendern

Call me by MY name!

Namen und Pronomen

Eine Nahaufnahme einer Schwarzen Frau mit kurz geschorenen Haaren, die zur Hälfte Pink gefärbt sind. Sie hält ihre eine Hand über ihrem Kopf geschlagen und neigt ihn damit leicht nach rechts. Sie wirkt damit ausdrucksstark und bestimmt.
Photo by Gemma Chua-Tran on Unsplash

Namen und Pronomen verwenden wir täglich, auch im Kontext von Medien. Zum Beispiel, wenn wir Menschen per E-Mail für ein Interview anfragen (z.B. Liebe Frau Turan) oder sie in einem Dokumentarfilm vorstellen (z.B. Er geht gerne mit seinem Hund spazieren.).

Besonders mit dem verwendeten Pronomen wird auch immer eine Aussage über das Geschlecht einer Person getroffen. Im Deutschen sind Pronomen herkömmlicherweise in zwei Geschlechter – männlich (er/ihn) und weiblich (sie/ihr) – aufgeteilt. Damit werden jedoch all jene Personen ausgeschlossen, die sich nicht binär verorten. Über die Zeit haben sich sogenannte nicht-binäre Pronomen entwickelt.

Nicht-binäre Pronomen sind beispielsweise:

Hier kannst du mehr über die Verwendung nicht-binärer Pronomen erfahren

Tipps:
Wie kann ich respektvoll mit
Namen und
Pronomen umgehen?

Oft gibt es Unsicherheiten im Umgang mit Namen und Pronomen. In den Tipps findest du Hinweise zum Umgang mit Namen und Pronomen. Die Akademie der bildenden Künste Wien hat Tipps in einer Broschüre aufgeführt. Auch die HAW hat eine Broschüre zu dem Thema herausgegeben.
Frag nach, mit welchem Namen und Pronomen eine Person angesprochen werden möchte. Wenn du nicht weißt, welches Pronomen eine Person verwendet, setze erst einmal den Namen an die Stelle des Pronomens (z.B. Ist das Claudes Fahrrad?).

Stell dich auch selbst mit deinem Pronomen vor. Denn: Dadurch sind Personen, die keine binären Pronomen oder ein anderen Namen als ihr vermeintliches Geschlecht verwenden, weniger exponiert.

Wir sind alle darauf getrimmt, Menschen automatisch einem Geschlecht zuzuteilen. Verwendet eine Person, die wir als weiblich wahrnehmen, ein männliches Pronomen, kann es passieren, dass wir ausversehen einmal das falsche (weibliche) Pronomen benutzen.
Wenn dir auffällt, dass du eine Person falsch angesprochen hast, korrigiere und entschuldige dich. Langwierige Entschuldigungen bitte vermeiden, um nicht unnötig Aufmerksamkeit auf die falsch bezeichnete Person zu lenken.
Nimm es bitte nicht als persönlichen Angriff, wenn du korrigiert wirst, weil du eine Person mit dem falschen Namen oder Pronomen angesprochen hast. Stattdessen hast du die Möglichkeit etwas zu lernen.
Denn: Die Tatsache, dass deine Mitmenschen mit richtigem Namen und Pronomen angesprochen werden wollen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Mach dein Gegenüber darauf aufmerksam, wenn diese Person ein falsches Pronomen oder einen falschen Namen für jemanden verwendet. Mach das auch, wenn die betreffende Person gar nicht anwesend ist. Du solltest dir grundsätzlich sicher sein, dass die betreffende Person dies auch möchte.
Wenn du noch den alten Namen oder das vorherige Pronomen einer Person kennst, plaudere es nicht einfach aus. Geh damit vertraulich um und oute die Person nicht gegen ihren Willen.

Erzählperspektive:
Geschichten erzählen,
Geschlecht erzählen

Sich Geschichten zu erzählen ist eine jahrhunderte alte Kunst. Geschichten zaubern Bilder darüber in unseren Kopf, wie die Welt war, ist und sein könnte. Und auch darüber, welche Abenteuer und Handlungsmöglichkeiten wir für Frauen, Jungs, nicht-binäre Personen, Mädchen, trans* Personen oder Männer denken.

Drehbücher, Romane oder Kinderbücher sind typische Medien von Geschichten. Und sie sind voll von (klischeehaften) Vorstellung darüber, wie wir Geschlecht leben und denken. Wissenschaftler:innen betonen, „dass zwischen dem Erzählen von Geschichten und Geschlechterkonstruktionen ein enger Zusammenhang besteht, weil Erzählungen nicht nur Vorstellungen von »Weiblichkeit« und »Männlichkeit« repräsentieren und inszenieren, sondern auch selbst aktiv hervorbringen.“ (Nünning et al., 2004) Unsere erzählten Geschichten spiegeln, verengen oder öffnen also unsere Vorstellungen von Geschlecht. Daher ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, wie wir mit Geschlechterrollen in unseren Texten umgehen.

Eine Frau mit langen gelockten Haaren und Tätowierungen an ihren Armen. Sie schaut nach oben und wird von ein paar Lichtstrahlungen getroffen. Ansonsten wirkt das Zimmer, in dem sie steht, eher dedimmt.
Photo by Frankie Cordoba on Unsplash

Alexandra die Große

Tendenziell werden Männer in sozialer Hinsicht als aktiv und autonom, Frauen hingegen als passiv, fürsorglich und unselbständig inszeniert. Da Aktivität und Autonomie zumindest in klassischen Modellen der Dramaturgie typische Merkmale von Protagonist:innen sind, führt dies in der Kombination auch zu einem Ungleichgewicht männlicher und weiblicher Hauptfiguren.

What can a heroine do?! (Was kann eine Heldin erreichen?)

Diese Frage stellte Joanna Russ bereits 1972 und kritisierte damit die begrenzten Handlungsmöglichkeiten von Frauenfiguren in der Literatur. Um diese Begrenzung zu verdeutlichen, formuliert sie einige klassische Plots um:

Empfindest du diese Plots als ungewohnt? Lösen Sie Irritation bei dir aus? Warum? Warum nicht? Kennst du Beispiele, in denen Frauen nicht eine klassische Geschlechterrolle in Romanen oder Drehbüchern einnehmen?

Weiter zu Bild und Ton: 

Hier wirst für dafür sensibilisiert, wie die Fokussierung oder die Blickachse in Filmen oder Bildern auf Geschlechterdarstellungen beeinflussen kann.