03. Vertiefung: Wissenschaft

Was ist das eigentlich – Wissenschaft?

Schwer zu sagen. Wenn man versucht das Gemeinsame an all ihren Teilbereichen zu finden, bleibt eigentlich nur zu sagen, dass Wissenschaft das System sei, in dem wir Wissen sammeln, ordnen oder herstellen. Wenn es schwer ist zu sagen, was Wissenschaft eigentlich sei, so können wir doch aber sicher sagen, was es nicht ist oder ob etwas dazu gehört bzw. wie Wissenschaft funktioniert. Es geht also um Wissen und die Beziehungen zu dem, was ich schon weiß.

Weiterführende Informationen: Martin Stegers Text „Was ist Wissenschaft?“ auf den Seiten der Uni Wien.

Und wie erlange ich das Wissen?

Wir tradieren das vorhandene Wissen und einen Teil davon muss ich mir notwendiger Weise durch Lernen aneignen, wenn ich selbst Wissenschaft treiben will. Dann natürlich durch Beobachtung und Erfahrung. Hierfür gibt es Regeln, die sicherstellen, dass das erlangte Wissen verlässlich ist. Wiederholbarkeit ist z.B. für die Naturwissenschaften von entscheidender Bedeutung. Da das aber nie exakt erfüllt ist (nichts ist perfekt wiederholbar) lernen wir, dass wir immer nur genähertes Wissen erhalten. Aber wie geht das?

  1. Ich untersuche einen Sachverhalt, erstelle eine Hypothese darüber und unterstelle, dass sie wahr sei.
  2. Ich finde Gründe für die Richtigkeit der Hypothese.
  3. Diese Gründe können geprüft werden. Fällt die Prüfung positiv aus, so gilt die Hypothese als gerechtfertigt (also wahr).
  4. Allerdings zwingt uns schon ein einziger überprüfbarer Einwand dazu unsere Hypothese fallen zu lassen oder zu verändern.

Weiterführende Informationen zur Hypothesenbildung (am Beispiel Friedensforschung) von Tanja Brühl auf der Seite der Uni Frankfurt.

Unterscheidet sich Wissenschaft von dem, was ich im Alltag erfahre?

Im Gegensatz zum Alltags- bzw. Erfahrungswissen zielt die Wissenschaft nicht nur auf die Feststellung, dass etwas so sei, sondern auch auf die Gründe also darauf warum etwas so sei. In der Wissenschaft wird das Wissen gezielt gesucht, erforscht oder erlernt und dann systematisch geordnet und strukturiert. Es ist unabhängig von der Situation und der Person für alle (im Prinzip) gleicher­maßen als wahr erkennbar. „Im Prinzip“ deutet darauf hin, dass sich in einzelnen Wissen­schaftsgebieten spezielle öffentliche, erlernbare Wissenschaftssprachen etabliert haben, die es für dieses Gebiet erleichtern die Sachverhalte zu beschreiben und zu begründen.

Wenn Wissenschaft die Suche nach Wahrheit ist, was muss ich dann beachten? Welche Prinzipien gelten für die Wissenschaft? Der Begriff „Wahrheit“ ist eben­so schwierig, wie der der Wissenschaft selbst. In der Naturwissenschaft ist es die prüfbare Übereinstimmung mit der „Wirklichkeit“, in der Mathematik oder Philosophie die Übereinstimmung mit vorher gemachten wahren Aussagen, wohl wissend, dass wir hier einen Regress starten. Und manchmal bleibt nichts übrig als sich auf einen Konsens mit anderen zu verlassen. Wahrheiten sind also immer vorläufig. Wie sagte mein Doktorvater immer: Wenn Sie absolute Wahrheiten wollen, müssen Sie die Theologen besuchen. In diesem Sinne ist Theologie keine Wissenschaft, obwohl man über Religionen sicher wissenschaftlich reden kann.

Wissenschaftliche Aussagen sind daher evident und objektiv, weil man sie in der Wirklichkeit prüfen kann und sie nicht vom Prüfer abhängen, sie sind widerspruchsfrei und so einfach wie möglich (aber nicht einfacher, wie Einstein einmal sagte). Letztlich benötigen sie eine gewisse mehrheitliche Akzeptanz in der wissenschaftlichen Gemeinde. Das bedeutet nicht, dass es nicht konkurrierende wissenschaftliche Aussagen geben kann, von denen erst in der Zukunft entschieden wird, welche wahr im genannten Sinn ist. Allerdings muss man hier etwas aufpassen. So gibt es zum Beispiel keinen vernünftigen Zweifel an der globalen Erwärmung oder der Evolution der Arten, auch wenn diese Aussagen insbesondere von Nichtexperten aus wirtschaftlichen oder religiösen Gründen gern für unwahr gehalten werden.

Weiterführende Informationen zum Klimawandel von der Universität Potsdam.

Worauf muss ich achten, wenn ich Wissenschaft „mache“?

Nun, die „gute wissenschaftliche Praxis“ ist bei der DFG, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, auf 112 Seiten definiert und die meisten Universitäten haben dies als verbindlich anerkannt. Das soll hier aber nicht erörtert werden. Grundsätzlich geht es darum einen Erkenntnisgewinn in einem begrenzten Bereich zu erzielen. Dazu muss man die gesicherten Grundlagen und die Methoden in diesem Bereich kennen und ggf. weiter entwickeln. Etwas verwirrend ist, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass die gefundenen Aussagen widerlegbar, man sagt auch falsifizierbar sein müssen. Grundsätzlich unwiderlegbare Aussagen gelten als unwissenschaftlich. Wenn also aus einem System von Aussagen eine Vorhersage folgt, die nicht eintrifft, gilt das System als widerlegt.

Weiterführende Informationen zur guten wissenschaftlichen Praxis der DFG und als allgemeiner Überblick bei Wikipedia. Die HafenCity Universität hat auch solche Regeln. Eine kurze Einführung zur Falsifikation (wie Karl Popper sie formulierte) findest du hier bei Jörg Friedrich auf Scienceblogs.

Es gibt ja unterschiedliche Bereiche, die sich Wissenschaft nennen – ist das dann alles Wissenschaft? Wo sind die Unterschiede?

Fachlich unterscheidet man die Geistes-, die Natur- und die Sozialwissenschaften, die sich ganz wesentlich in Gegenstand und Methodik unterscheiden. Wenn klar ist, dass die Philosophie eine Geistes- oder Physik eine Naturwissenschaft ist, so ist dies z.B. für die Psychologie nicht so völlig eindeutig. Die genannten Kriterien werden aber immer – dem Gegenstand angemessen – erfüllt. Dagegen muss man eindeutig abgrenzen, was man als „Pseudowissenschaften“ bezeichnen könnte. Kennzeichnend ist, dass sie die genannten Kriterien nur teilweise oder gar nicht erfüllen, insbesondere sind sie kaum widerlegbar. So gibt es z.B. keinen Hinweis darauf, dass die Vorhersagen der Astrologie in irgendeiner Weise empirisch halt­bar sind, obwohl Elemente der Astronomie und der Mathematik verwendet werden. Gleiches gilt für die Homöopathie, deren Wirksamkeit jenseits des Placebo-Effektes nach wissenschaftlichen Kriterien nicht nachgewiesen ist. Kann man diese Beispiele noch als (teuren) Humbug abtun, so sind Systeme wie die des Kreationismus bzw. Intelligent Design geradezu verdummend und gefährlich. Hier wird versucht einen bibeltreuen Schöpfungsmythos scheinbar wissenschaftlich zu belegen, wobei Evidenzen wie das Alter der Erde oder die Entwicklung der Arten ignoriert oder uminterpretiert werden.

Ich betone dies deshalb, weil Wissenschaft und Forschung immer auch in einem gesellschaftspolitischen und ökonomischen Kontext steht und uns der Aberglaube in pseudowissenschaftliche Theorien bei der Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft keinen Schritt weiter hilft.


 

Zurück zum Anfang der Lektion

Lektion 2: Wissenschaft