02. Wirtschafts- und Alltagsquellen

Wissenschaftliche Arbeiten sind keine philosophischen Essays, die aus rein theoretischen Überlegungen im stillen Kämmerlein entstehen und ohne jeglichen Bezug zu anderen Arbeiten oder der erfahrbaren Welt auskommen. Wissenschaftliche Arbeiten beruhen vielmehr auf einer Menge unterschiedlicher Daten, die es für die Arbeit einzuordnen und auszuwerten gilt. Daten können also Informationen sein, die du selber in der Welt sammelst (in den Sozialwissenschaften etwa in Erhebungen, oder in den Naturwissenschaften durch Experimente), aber auch Informationen, die du aus anderen wissenschaftlichen Arbeiten erhältst.

Was eine Quelle ist, kann von Disziplin zu Disziplin variieren. In der Geschichtswissenschaft etwa gilt jegliche Form von historischem Objekt als Quelle. In dieser und in manchen anderen Disziplinen differenziert man zudem noch Quellen nach deren Grad des Bezugs oder nach anderen Faktoren in Primär- und Sekundärquellen – das solltest du aber in deiner spezifischen Disziplin klären. Grundsätzlich unterscheiden die meisten Disziplinen zwischen Quellen, die direkt verwertet werden und Daten über den jeweiligen Gegenstand liefern – also Daten aus Experimenten, Erhebungen oder in Form von Objekten – und sogenannten Literaturquellen, die neben den primären Daten stehen. Je nach Forschungsgegenstand kannst du auf Quellen aus der Wissenschaft, der Wirtschaft oder auch auf Alltagsquellen zurückgreifen.

Wirtschaftliche Quellen

Das wissenschaftliche System ist natürlich nur ein mögliches Bezugssystem, auf das Wissenschaftler zurückgreifen. Abhängig von Themenstellung und Fachdisziplin können aber natürlich auch andere Systeme relevante Informationen bieten. Eine Arbeit über die Filmindustrie könnte etwa auch journalistische Quellen wie Filmrezensionen oder ökonomische wie Umsatzdaten von Filmfirmen zur Analyse heranziehen. Wichtig ist hierbei, dass die Quellen sorgfältig abgewogen und bewertet werden und ihre Verwendung plausibel erscheint – wie schon gesagt sind Quellen zur Ernährung von einem großen Lebensmittelkonzern vielleicht voreingenommen und müssen unbedingt kontextualisiert werden. Ähnlich problematisch könnte es sein, wenn man als Meteorologe einen Bericht der BILD zum Klimawandel anführt, ohne explizit die Quelle zu bewerten.

Magazine, Zeitschriften, Zeitungen

Neben den bereits erwähnten wissenschaftlichen Fachzeitschriften können auch journalistische Zeitschriften und Zeitungen interessante Quellen für die Recherche darstellen. Gerade, wenn es um die populäre oder massenmediale Aufbereitung eines Themas geht, können diese Quellen wertvoll sein. Du solltest aber unbedingt auf die Quellenkritik achten und immer dabei bedenken, dass Journalismus eine zumindest in Teilen von wirtschaftlichen Kriterien geleitete Form der Publikation ist. Auch sind Kriterien der Wissenschaftlichkeit nicht immer gleichermaßen gegeben – zwischen National Geographic und der BILD bestehen vielerlei Unterschiede, die es zu beachten gilt.

Interviews

Wie auch andere Formen des Zeitschriftenartikels finden sich Interviews in verschiedenen Qualitätsstufen in unterschiedlichen Publikationen. Zentral hierbei ist, dass die Interviewpartner direkt zu Wort kommen und so manchmal Stellungnahmen von Personen genutzt werden können, die nicht selber als Autor*innen auftreten. Es bleibt aber zu beachten, dass auch hier wirtschaftliche Faktoren und editorische Eingriffe möglich sind. Interviews sind auch in anderen Medienformaten (nicht nur im Printbereich) möglich und können als Quelle genutzt werden. Achte hierzu auf die korrekte Zitation und Angabe in der Bibliografie.

Geschäftsberichte, Pressemitteilungen, Broschüren, Firmen-Homepage

Wirtschaftsunternehmen sind in vielen Fällen die Herausgebenden einer ganz eigenen Quellenform, die im wissenschaftlichen Kontext zwar genutzt werden kann, aber immer mit Vorsicht zu genießen ist. Alle Quellen, die direkt von einem Unternehmen stammen, sowohl der Bericht für Aktionäre als auch die Pressemitteilung zu einem neuen Produkt sind Materialien, die etwa für sozial-, kultur- aber auch wirtschaftswissenschaftliche Studien genutzt werden können, die aber immer im Kontext ihrer Produktion beurteilt werden müssen. VW wird kaum in den eigenen Broschüren kritisch über die Software-Manipulation bei Dieselfahrzeugen berichten. Auch diese Quellen erfordern eine rigorose Quellenkritik.

Alltagsquellen

In der wissenschaftlichen Praxis am seltensten gebräuchlich, aber keineswegs ausgeschlossen, sind private oder Alltagsquellen. Quellen, die von Privatpersonen erstellt werden oder auch Unterhaltungsmedien fallen in diese Kategorie und werden – außer als Objekte der Analyse – eher selten in einer wissenschaftlichen Arbeit Verwendung finden.

Es ist aber sehr wohl theoretisch denkbar Youtube-Videos, Blog- oder Facebook-Posts oder sogar eine private Email zu zitieren. Es könnte ja auch der Blog einer Professor*in oder einer Wissenschaftler*in sein (wie im Falle des Filmwissenschaftlers David Bordwell oder der populären Plattform I Fucking Love Science), von der Erkenntnisse ausgehen. Auch könntest du zum Beispiel eine private Email-Konversation mit einer Expert*in an einer anderen Uni führen, die du dann in deiner Arbeit zitierst. Je privater die Quelle, desto unwahrscheinlicher jedoch ihre Nützlichkeit und Relevanz für die Wissenschaft.

Film, Fernsehen

Als populäre Massenmedien sind diese eher selten Quellen für wissenschaftliche Arbeiten, außer sie sind Untersuchungsgegenstände (wie z.B. in der Filmwissenschaft). Man sollte sie jedoch nicht grundsätzlich ausschließen, da zum Beispiel auch zusätzliche Materialien auf DVDs zu finden sind (etwa Interviews, Making-Of-Videos, Hintergrundinformationen), die als Quelle genutzt werden können. Dokumentarfilme können als Quellen etwa zu sozialen Themen dienen. Und Fernsehsendungen können journalistische Quellen sein, etwa bei Reportagen, Diskussionsrunden oder speziellen Themensendungen. Für die Nutzung all dieser Quellen gelten die selben Regeln wie unter „Wirtschaftliche Quellen“ für Zeitschriften.

Blogs, Videokanäle, Podcasts

Diese Quellen sind extrem variabel und es gibt kaum eine Möglichkeit verallgemeinernde Hinweise zu geben. Du musst immer eine ausführliche Quellenkritik betreiben und prüfen, wie wissenschaftlich eine Quelle ist. Es gibt sehr gute private Sites/Channels, von Wissenschaftler*innen, von Experten aus der Wirtschaft, von seriösen Journalist*innen. Es gibt aber auch andere, die von Unternehmen oder Interessensgruppen betrieben werden, und wiederum welche, die von Privatpersonen betrieben werden, die zwar Meinungen transportieren, aber keinerlei wissenschaftlichen Anspruch haben. Wenn du Zweifel über die wissenschaftliche Relevanz hast und keine Informationen zur Quelle findest, dann lass lieber die Finger davon oder vermerke deine Kritik in der Arbeit.

Foren, Chats, Social Media, Wikis

So spannend die Informationen auch sein mögen, die sich hier manchmal finden, so schwierig wird hier eine Quellenkritik. Und das gilt auch und vor allem für Wikipedia. Du wirst bei diesen Quellen kaum in der Lage sein, die Autor*innen festzustellen, die Zielsetzung des Textes zu bestimmen oder die Methoden der Analyse nachzuvollziehen. Auch der Bezug auf andere Quellen und Urheber ist hier kaum nachzuvollziehen. Meistens handelt es sich bei Foren, Chats und Social Media dazu noch um Meinungsbilder und nur selten um verifizierbare Daten im Sinne der Wissenschaft. Du kannst eine solche Quelle nutzen, aber nur wenn es im Rahmen deiner Arbeit Sinn ergibt, gut begründet ist, und die Quelle als problematisch gekennzeichnet ist.

Emails, Messages, Gespräche, Telefonate

Auch diese Art von ‚Texten‘ sind theoretisch zulässige Quellen. Allerdings sind diese privat und für andere nicht nachvollziehbar. Wenn du also ein Telefongespräch mit einer Person führst, die für dein Thema wichtig ist, dann kannst du das als private Quelle anführen. Wichtig wäre aber, dass du eine Aufzeichnung anfertigst, evtl. zusätzlich ein Transkript. Bei Emails oder Messages solltest du ebenfalls eine dauerhafte Dokumentation irgendwo hinterlegen. Bei Abschlussarbeiten kannst du diese Transkripte als Anhang hinterlegen, bei kürzeren Arbeiten musst du sie aber zumindest auf Anfrage vorlegen können. Achte bei diesen Quellen aber immer und grundsätzlich auf die Relevanz – nicht jedes lauschige Philosophie-Gespräch mit Freunden bei einem Bier ist relevant für eine Hausarbeit.


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Lektion 5: Quellenarbeit