01. Wissenschaftliches Lesen

Lesen? Kann ich doch schon, mache ich ja schließlich gerade jetzt in diesem Moment – so mag man denken. Aber „wissenschaftliches Lesen“ ist eben doch etwas anderes. Dieses Modul und alle Texte, die hier eingestellt sind, stehen in ihrem Anspruch und ihrer Funktion genau an der Grenze dessen, was wir in den ersten Einheiten als wissenschaftliches Arbeiten definiert haben. Sie sind Einführungstexte und damit für Menschen gedacht, die „Wissenschaft“ noch lernen sollen. Als solche kann und soll man sie auch noch verstehen, wenn man „Wissenschaft“ eben noch nicht „kann“. Doch mit voranschreitendem Wissen im (Selbst-)Studium werden auch die zu lesenden Texte immer komplexer.

In Gesprächen und bei Vorlesungen zum Thema haben Studierende geäußert, dass wissenschaftliche Texte oftmals geschwollen und unnötige kompliziert klängen. Hier muss man sagen: Das stimmt leider manchmal. Je nach Fachdisziplin gilt es als guter „wissenschaftlicher Stil“ möglichst kompliziert und verschachtelt zu schreiben. Aber nicht alle Wissenschaftler*innen teilen diese Meinung, und manchmal liegen die Verständnisprobleme beim Lesen auch einfach nur daran, dass man den Stil oder das Fachvokabular der Wissenschaft nicht kennt.

Wissenschaftliche Texte halten sich im Idealfall an bestimmte Vorgaben der wissenschaftlichen Praxis. Diese sind einerseits durch all das bestimmt, was hier in diesem Modul dargelegt ist (also Inhalt, Form und Funktion von wissenschaftlicher Arbeit) und zum anderen durch spezifische Fachdiskurse einer jeweiligen Disziplin. Letztere können in diesem Modul nicht besprochen werden, dafür sind die jeweiligen Studiengänge und Fachbereiche zuständig. Grundsätzlich aber gelten bestimmte Hinweise zum Lesen von Wissenschaft, die hier kurz vorgestellt werden sollen.

Formen

Wissenschaftliche Texte sind nach Gattungen (oder Formen) organisiert, die dir sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen begegnen können. Je nach Form soll etwas bestimmtes mit dem Text erreicht werden:

  • Monographien wollen auf mehreren hundert Seiten ein einzelnes Thema genauestens beleuchten.
  • Anthologien hingegen versammeln von verschiedenen Autor*innen einzelne Beiträge zu einem gemeinsamen Thema, das so aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird.
  • Aufsätze (oder auch Artikel) sind kürzere und meist in sich geschlossene Argumentationen zu einer bestimmten, eng abgesteckten Fragestellung (damit gleichen sie am ehesten der Hausarbeit).
  • Und Rezensionen bewerten nach wissenschaftlichen Maßstäben die Arbeiten anderer und kommentieren diese.

Neben diesen Hauptformen gibt es dann noch andere Formen wie den Projektbericht, den Forschungsüberblick oder das Interview – Formen, die aber aufgrund ihrer Namen schon deutlich machen, was sie erreichen wollen.

Struktur

Für Artikel/Aufsätze/Beiträge/Monographien gilt, egal welche Länge sie haben, dass diese meist eine Argumentation aufbauen. Wie auch die Hausarbeiten, die du schreiben musst/sollst, sind diese idealerweise logisch-argumentativ gegliedert. D.h., sie beginnen mit einer Einleitung und einem methodischen und theoretischen Teil, der die Grundlagen der Forschungsarbeit erläutert, und liefern dann im Hauptteil eine Argumentation für die erstellte These. Ein abschließender Abschnitt fasst schließlich die Ergebnisse noch mal zusammen und bietet mitunter einen Ausblick auf weitere oder ergänzende Forschungsperspektiven.

Stil und Lexikon

Hierbei gilt, dass der wissenschaftliche Stil schon recht formell wirkt und das auch so sein soll, schließlich geht es ja um die Suche nach Wahrheiten (siehe Lektion 02 Wissenschaft„) und eine möglichst unvoreingenommene Bewertung von Sachverhalten. Werturteile gilt es ja gerade zu vermeiden. Dazu kommt, dass wissenschaftliche Texte ein spezielles, dem Fach angepasstes Lexikon nutzen – also Worte wählen, die eine bestimmte und nicht immer allgemeinsprachliche Bedeutung haben. Daraus folgt also, dass du beim Lesen manche Formulierungen nicht auf den ersten Blick verstehen wirst. Fachbegriffe und Fremdworte wirst du nachschlagen müssen.


Weiter geht es mit Abschnitt

02. Arten des Lesens

oder zurück zum Anfang der Lektion

Lektion 7: Lesen