01. Wissenschaftliche Quellen
Wissenschaftliche Arbeiten sind keine philosophischen Essays, die aus rein theoretischen Überlegungen im stillen Kämmerlein entstehen und ohne jeglichen Bezug zu anderen Arbeiten oder der erfahrbaren Welt auskommen. Wissenschaftliche Arbeiten beruhen vielmehr auf einer Menge unterschiedlicher Daten, die es für die Arbeit einzuordnen und auszuwerten gilt. Daten können also Informationen sein, die du selber in der Welt sammelst (in den Sozialwissenschaften etwa in Erhebungen, oder in den Naturwissenschaften durch Experimente), aber auch Informationen, die du aus anderen wissenschaftlichen Arbeiten erhältst.
Was eine Quelle ist, kann von Disziplin zu Disziplin variieren. In der Geschichtswissenschaft etwa gilt jegliche Form von historischem Objekt als Quelle. In dieser und in manchen anderen Disziplinen differenziert man zudem noch Quellen nach deren Grad des Bezugs oder nach anderen Faktoren in Primär- und Sekundärquellen – das solltest du aber in deiner spezifischen Disziplin klären. Grundsätzlich unterscheiden die meisten Disziplinen zwischen Quellen, die direkt verwertet werden und Daten über den jeweiligen Gegenstand liefern – also Daten aus Experimenten, Erhebungen oder in Form von Objekten – und sogenannten Literaturquellen, die neben den primären Daten stehen. Je nach Forschungsgegenstand kannst du auf Quellen aus der Wissenschaft, der Wirtschaft oder auch auf Alltagsquellen zurückgreifen.
Wissenschaftliche Quellen
Wissenschaftliche Quellen sind die wichtigste Ressource, die du für eine wissenschaftliche Arbeit hast. Einen Teil davon findest du sicher im Internet, vor allem, wenn du via offizieller Datenbanken nach Volltexten suchst. Doch viele dieser Quellen befinden sich hinter sogenannten Paywalls und müssen durch einen kostenpflichtigen Zugang erst freigeschaltet werden. Größere Bibliotheken sind daher für die Quellenarbeit unerlässlich, da sie a) Bücher zu wissenschaftlichen Themen vorhalten und b) die Zugänge zu teuren Datenbanken lizensieren, und du so Zugriff erlangen kannst.
Monografien
Monografien sind Einzeluntersuchungen, also ganze Bücher, zu einem speziellen Themengebiet. In den meisten Fällen sind sie von einer Autor*in, seltener von einem Autor*innnen-Team geschrieben. In den Geisteswissenschaften gelten Monografien als die wichtigste wissenschaftliche Form, weil hier Themenbereiche mit viel Tiefe und im Detail dargestellt werden können, während sie für die Naturwissenschaften aufgrund der langen Produktionszeit von mehreren Jahren meist nicht so gut geeignet sind.
Sammelbände
Sammelbände, oder auch Anthologien, bestehen aus einer Gruppe von Aufsätzen, die mehr oder weniger eng zu einem Thema zusammengestellt wurden. Die Aufsätze stammen von unterschiedlichen Autor*innen und werden durch eine (oder mehrere) Herausgeber*innnen mit einem Rahmen versehen. Anthologien ermöglichen daher einen sehr facettenreichen Blick auf spezielle Themen und eignen sich ideal für Überblicke oder Einzelfallanalysen zu einem Thema. In den Sozialwissenschaften, aber auch den Geisteswissenschaften, sind Anthologien sehr verbreitet, um Themenfelder übersichtlich zu erschließen.
Enzyklopädien, Lexika, Handbücher
Im Grundsatz wie Sammelbände (also von mehreren Autor*innen, zusammengestellt zu einem Thema als Überblick), aber mit einer klaren Zielausrichtung auf Lehre und Wissensvermittlung. Im Gegensatz zu Anthologien sind hier meist keine neuen Erkenntnisse oder Forschungen versammelt, sondern die in einem Fachgebiet bestehenden Lehrmeinungen und Kenntnisse. Diese Form der Literaturquelle ist also vor allem für den Einstieg in ein Thema, für die erste Auseinandersetzung gut geeignet und daher besonders im Lehrbetrieb gerne genutzt. Für Studierende also sehr zu empfehlen und meist ideal für die weitergehende Recherche.
Fachzeitschriften
Neben Monografien sind Fachzeitschriften die wohl wichtigste Gruppe von Quellen, in den Naturwissenschaften sogar die wichtigste, weil hier schnell und effizient Forschungsergebnisse präsentiert werden können. Fachzeitschriften sind spezifische Publikationen, die zu einem Themenbereich Aufsätze sammeln und diese ihren Leser*innen zur Diskussion stellen. Der Themenbereich kann sehr weit gefasst sein, wie etwa bei Nature oder Science (für alle Naturwissenschaften) oder der PMLA: Publications of the Modern Language Association (für alle Sprach- und Literaturwissenschaften). Er kann aber auch sehr fachspezifisch und nischenhaft sein, wie beim Victorian Review (nur für Studien über die Zeit des Viktorianismus) oder dem Journal of Criminal Behavior and Mental Health (nur für Studien zur pathologischen Kriminologie). Wissenschaftliche Zeitschriften werden zumeist von einem herausgebenden Team geleitet und sind oft durch das sogenannte Peer-Review-Verfahren bestimmt, was die Qualität der Aufsätze garantieren soll (eine Behauptung, die durchaus auch kritisch zu hinterfragen ist).
Jahrbücher, Tagungsbände und Festschriften
Eine weitere Gruppe in der Kategorie der ‚Bücher‘ sind Jahrbücher, Konferenz-/Tagungsbände, und Festschriften. Alle drei sind an bestimmte Organisationsformen der Wissenschaft geknüpft, also an Fachgesellschaften, Tagungen und Konferenzen oder eben wichtige Ehrungen und Ereignisse. Im Prinzip funktionieren diese Bücher wie Anthologien, nur dass hierbei meist andere Kriterien für die Aufnahmen im Band gelten (etwa Tagungsteilnahme, persönliches Verhältnis zum Ehrengast) und die Aufsätze meist mit weniger Kohärenz zusammengestellt werden. Diese Werke dienen vor allem dem Ziel, die entsprechende Veranstaltung zu dokumentieren und für andere zugänglich zu machen. Qualitätsstandards können stark schwanken, daher sollte man hier dringend eine ausführliche Quellenkritik vornehmen.
Abschlussarbeiten, Seminarunterlagen, Vorlesungsaufzeichnungen
In Zeiten des Internet sind fast alle an Hochschulen genutzten Formen von ‚Text‘ mittlerweile für die Öffentlichkeit erhältlich. Das gilt für Abschlussarbeiten (teilweise sogar für Hausarbeiten und Referate), aber auch für Unterlagen zur Seminarvorbereitung. Eine Sonderform sind Vorlesungen, die entweder als Foliensätze mit Skript oder sogar als Videofiles erhältlich sind. Lehrvideos von hochkarätigen Unis wie Stanford, MIT, Harvard und Co. sind auf Plattformen ebenso zugänglich wie die Statistik-Vorlesung der Fachhochschule Kleinpampau. All diese Quellen sind im Grundsatz wissenschaftlich und daher gut nutzbar, allerdings sollte man schon beachten, dass auch schlecht benotete Seminararbeiten oder ‚nur für den Unterricht‘ formulierte Folien im Netz kursieren, die nicht unbedingt höchsten Standards entsprechen müssen. Achte auch hier also dringend auf Quellenkritik.
Forschungsberichte
Sowohl Universitäten als auch hochschulexterne Forschungseinrichtungen, aber auch Ämter und Unternehmen betreiben Forschungsvorhaben und geben regelmäßig Berichte heraus, die die Ergebnisse der Forschung dokumentieren. Nicht alle diese Berichte schaffen es in die Buch- oder Aufsatzform. Gerade bei komplexen Datenmengen ist der Forschungsbericht eine verbreitete Publikationsform, die meist im Internet zu finden ist. Da aber sehr viele verschiedene Formen und Standards existieren, ist es besonders wichtig mit Hilfe einer Quellenkritik die Herausgeberschaft eines Forschungsberichts und die Kriterien der Wissenschaftlichkeit zu überprüfen. Eine Studie von McDonalds zur „richtigen Ernährung“ mag andere Ergebnisse haben, als eine Studie der Weltgesundheitsorganisation – beides kann relevant sein, muss aber bei der Nutzung der Quelle bedacht werden.
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Lektion 5: Quellenarbeit