03. Quellenkritik

Quellen

Wir haben ja schon festgestellt, dass es verschiedene Arten von Quellen gibt und dass nicht immer alle gleich gut für unsere Zwecke geeignet sind. Verschiedene Fachdisziplinen, unterschiedliche Anforderungen an das Thema oder den Umgang mit Daten machen eine handfeste Richtlinie für Quellenbeurteilungen aber auch schwer zu formulieren. Um im Einzelfall beurteilen zu können, ob eine Quelle für eine wissenschaftliche Arbeit sinnvoll erscheint oder nicht, gibt es aber schon gewisse Punkte, die ich mir anschauen kann und die dabei helfen, die „Wissenschaftlichkeit“ zu beurteilen.

Fragen an die Quelle

Wenn du also eine Quelle gefunden hast, dann kannst du zuerst einmal ein paar Fragen zu dieser Quelle formulieren:

  • Was bezwecke ich mit dieser Quelle? Wofür nutze ich sie in meinem Text?
  • Wie relevant ist die Quelle? Wie aktuell ist die Quelle?
  • Wie wissenschaftlich fundiert ist die Quelle?

Zweck/Nutzen

Dieser Punkt ist am schwierigsten zu beantworten, da er ganz individuell für deine Arbeit und jede Quelle neu formuliert werden wird. Beachte die Grundsätze der Wissenschaft (Lektion 02  Wissenschaft) und die Hinweise, die wir dir zum Zitieren (Lektion 12 Zitieren) mit auf den Weg gegeben haben. Quellen können deine Argumentation stützen, dir grundlegende Informationen oder spezifische Daten liefern, sie können kontrovers diskutiert werden oder einfach Hintergründe und Rahmungen liefern. Ein Zitat von Dante über das Tor zur Hölle am Anfang einer Arbeit über „Wirkungsweisen von Türöffnungsmechanismen“ mag witzig anmuten, ist aber aus wissenschaftlicher Sicht nicht sinnvoll (daher keine geeignete Quelle). In einer Arbeit über die Metaphorik von Türen in der fantastischen Literatur hingegen, darf Dante ruhigen Gewissens vorkommen.

Relevanz

Wissenschaft ist ein Prozess, der einer stetigen Weiterentwicklung unterworfen ist. Nur weil eine Theorie vor 50 Jahren noch neu und innovativ war, muss sie es heute nicht mehr sein. Um 1840 glaubten Wissenschaftler mit Hilfe der Kopfform bestimmte Denk-, Emotions- und Verhaltensmuster in Patienten belegen zu können (siehe Phrenologie). Heutzutage wäre aber das Zitieren eines Textes über Phrenologie in der Kognitionsforschung kaum wissenschaftlich hilfreich. Das Beispiel ist natürlich extrem gewählt, aber schon kleine Änderungen in der wissenschaftlichen Haltung können die Relevanz des Textes einschränken.

Aktualität

Aktualität spielt auch eine Rolle bei Themen, die sozial oder politisch besonders brisant sind. Ein Text über Terrorismus aus dem Jahr 2000 wird eine ganz andere Perspektive einnehmen als ein Text von 2005. Nur wenige Jahre können bei diesen Themen die Weltsicht verändern. Dabei ist auch zu Bedenken, dass selbst ein Text von 2002 für eine Recherche zu 9/11 mitunter noch nicht die richtige Perspektive haben kann, weil er sich a) zur Zeit der Anschläge bereits in Druck befand, oder b) im Normalfalle Bezug auf Texte und Theorien nehmen wird, die vor diesem Ereignis entwickelt wurden.

Um eine Prüfung der Aktualität vorzunehmen, ist es hilfreich die Materie des Textes ein wenig zu kennen, mehrere Quellen als Vergleich hinzuziehen und evtl. durch Techniken des wissenschaftlichen Lesens wie „Skimming“ (siehe dazu Lektion 07 Lesen) einen schnellen Überblick über die Argumentation und die verwendeten Materialien zu gewinnen.

Wissenschaftlichkeit

Um zu beurteilen, ob ein Text „wissenschaftlich“ ist oder nicht, bedarf es guter Recherche-Techniken (siehe dazu Lektion 06 Recherche) und etwas Übung. Eine Beurteilung von Texten ist gerade für ganz neu in einem Gebiet arbeitende Studierende nicht immer leicht – hier hilft es möglichst weit und viel zu lesen, und so Muster in Hinsicht auf verbreitete Analysen, Theorien, Methoden zu erkennen. Darüber hinaus aber bieten Texte auch an sich schon einige Kriterien, die man untersuchen kann und die folgenden erläutert werden.

Autor*in

Wer hat den Text geschrieben? Was ist über die Autor*in bekannt? Welchen Beruf übt sie aus? Bei wem ist sie angestellt? Was hat sie sonst veröffentlicht? Woran arbeitet sie noch?

Der Text einer Lehrstuhlinhaber*in für Evolutionsbiologie des King’s College in London zum Thema „Jagdinstinkte bei Raubtieren“ ist sicher wissenschaftlich fundierter als der gleiche Text einer freiberuflichen Dozent*in für Literatur an der Volkshochschule Abendrot.

Thema

Behandelt der Text alles, was ich erwarten würde? Beschreibt er tatsächlich, was er vermitteln will? Nennt er zentrale Begriffe, die ich erwarten würde?

In einem Text über „erneuerbare Energie“ würde ich erwarten, dass mir (zumindest ein paar) Begriffe wie Nachhaltigkeit, Energiewende, Ökostrom, politischer Wille, Fotovoltaik etc. begegenen.

Inhalt/Struktur

Ist der Text wissenschaftlich aufgebaut? Verweist er also auf andere wissenschaftliche Werke? Liefert er eine Struktur, die ich nachvollziehen kann, eine These, eine Methode, eine Argumentation? Wie sieht die Bibliografie aus?

Ein Text über die „Jagdinstinkte bei Raubtieren“, der sich hauptsächlich auf religiöse Texte beruft und eher wie eine Predigt aufgebaut ist, scheint wenig wissenschaftlich und sollte kritisch bewertet werden. Wird aber auf Werke der aktuellen Genetik-Forschung verwiesen und eine klare Argumentatiosstruktur mit Belegen in Experimenten zurückgegriffen, dann ist der Text vermutlich wissenschaftlich fundiert.

Quelle

Wo ist der Text erschienen? In welchem Verlag, auf welcher Website? Was ist sonst im selben Umfeld zu finden? Gibt es Informationen, um die Autor*in oder Verlag zu kontaktieren?

Wenn im selben Verlag, wo unser „Jagdinstinkte“-Text erschienen ist, ansonsten eine wilde Auswahl an Büchern erscheint – also vom Roman bis hin zur Heimatkunde – und der Verlag ein Print-On-Demand-Haus ist, dann ist der Text evtl. nicht wissenschaftlich geeignet. Gibt es aber eine Reihe mit Büchern zur Biologie, eine wissenschaftlichen Beirat (siehe Autor*in) und das bei einem Verlag, den die Unibibliothek häufig auflistet, dann ist die Wissenschaftlichkeit wahrscheinlicher.

Präsentation

Wie ist die Qualität des Buchs (Druck, Bindung, Schriftbild) oder der Website?

Ein recht oberflächliches Kriterium, und daher immer nur mit Vorsicht zu beurteilen. Problematisch ist, dass eine besonders gute Aufmachung leider kein Garant für wissenschaftliche Qualität ist – gerade Pseudowissenschaften können „wie echt“ aussehen. Miese Druckqualität und jede Menge Fehler in Grammatik und Rechtschreibung sind aber auf keinen Fall ein Zeichen guter Wissenschaft!


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Lektion 5: Quellenarbeit