Fall: Aida-Kussmund – Kunstwerke auf Kreuzfahrtschiffen

Aida-Kreufahrtschiff, Lizenz: CC0

Der Fall

Die Klägerin ist eine Reederei und veranstaltet Kreuzfahrten. Zahlreiche ihrer Kreuzfahrtschiffe sind mit dem sogenannten „AIDA Kussmund“ dekoriert. Das Motiv gestaltet sich wie folgt: es besteht aus einem am Bug der Schiffe aufgemalten Mund und seitlich an den Bordwänden aufgemalten Augen, von denen Wellenlinien ausgehen. Ein bildender Künstler hatte das Motiv entworfen. Die Klägerin hält die ausschließlichen Nutzungsrechte daran.
Der Beklagte betrieb eine Website, über die er Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtreisen in Ägypten anbot. Im Zusammenhang mit einer Werbung für die Landgang-Ausflüge veröffentlichte er das Foto der Seitenansicht eines Schiffes der Reederei, auf dem der „AIDA Kussmund“ zu sehen ist. Hiergegen richtete sich die Klage.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH entschied, die Kreuzfahrtreederei müsse es aufgrund der urheberrechtsgesetzlich geregelten Panoramafreiheit dulden, wenn ihre Schiffe mit dem vom einem Künstler entworfenen Kussmund-Logo fotografiert und diese Fotos im Internet veröffentlicht werden.

Die Panoramafreiheit gestattet es, Werke, die sich „bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und auch öffentlich wiederzugeben.

Die Voraussetzungen der Regelung seien auch dann erfüllt, wenn ein Schiff zumeist unterwegs sei und verschiedene Häfen anlaufe. Schiffe seien dazu bestimmt, für längere Dauer auf hoher See, im Küstenmeer, auf Seewasserstraßen und in Seehäfen eingesetzt zu werden, und dort von Orten aus, die für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden können.

Ein Werk  befindet  sich  „an“  öffentlichen Wegen,  Straßen  oder  Plätzen,  wenn  es  von  öffentlichen Wegen,  Straßen  oder  Plätzen  aus  wahrgenommen  werden  kann;  unerheblich sei, ob das Werk selbst für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Wege, Straßen oder Plätze seien „öffentlich“ im Sinne der Vorschrift, wenn sie für jedermann frei zugänglich seien, unabhängig davon, ob sie in öffentlichem oder Privateigentum stünden. Die Aufzählung von „Wegen, Straßen oder Plätzen“ sei zudem lediglich beispielhaft und nicht abschließend. Die Bestimmung erfasse jedenfalls alle Orte, die sich – wie Wege, Straßen oder Plätze – unter freiem Himmel befänden.

Ein Werk befinde sich auch dann „an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ im Sinne der Vorschrift, wenn es den Ort wechsele und es sich bei den verschiedenen Orten, an oder auf denen sich das Werk befindet, um öffentliche Orte handelt. Ein Werk befinde sich zudem „bleibend“ an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es sich dauerhaft und nicht nur vorübergehend an öffentlichen Orten befindet. Das sei der Fall, wenn das Werk aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt sei, für längere, meist unbestimmte Zeit an öffentlichen Orten zu bleiben – was das Gericht für den Kussmund bejahte.

Relevanz für OER

Interessant sind an der Entscheidung zwei Aspekte:

Zum einen die Feststellung, dass auch Abbildungen wie der „Aida Kussmund“ überhaupt als Werk im Sinne des Urheberrechts gelten und somit einem Schutz unterliegen. Ein entsprechendes Bewusstsein dürfte nicht immer vorhanden sein.

Erfreulich an der Entscheidung ist zum anderen, dass die Voraussetzungen der Panoramafreiheit vom BGH weit interpretiert werden. Die Folge ist, dass in Situationen wie der vorliegenden eine Nutzung trotz bestehendem Urheberrechtsschutzes gleichwohl gestattet ist. Fotografinnen und Bildnutzerinnen sind unter den gegebenen Voraussetzungen der Panoramafreiheit somit auf der sicheren Seite.

Quelle:
BGH, Urteil vom 27. April 2017 – I ZR 247/15 – AIDA Kussmund